Passiert es dir, dass du große Mengen gesunder Nahrung zu dir nimmst?
Dass du 500 g Porridge, eine ganze Packung Nüsse oder mehr als ein Kilogramm Gemüse isst?
Du willst wissen, warum du das tust und was du dagegen unternehmen kannst?
In diesem Beitrag helfe ich dir, Fressanfälle mit gesundem Essen zu verstehen und zeige dir, wie du Fressattacken stoppen kannst.
Höre diesen Beitrag als Folge 93 des Schlanke-Gedanken-Podcasts:
1. Fressanfälle mit gesundem Essen – harmlos?
Fressattacken, wie sie bei einer Binge-Eating-Störung oder Bulimie vorkommen, sind wissenschaftlich nicht dadurch bestimmt, was gegessen wird.
Das DM-5, das führende Klassifikationssystem für psychische Störungen in den USA, definiert Essanfälle als den Verzehr einer großen Menge von Nahrung mit gleichzeitigem Kontrollverlust.
Auch wenn bei Essanfällen häufig hochkalorische Lebensmittel wie Schokolade, Eis, Kekse oder Chips verzehrt werden, sind Fressanfälle mit gesundem Essen ernst zu nehmen.
Das ist leider oft nicht der Fall.
Essanfälle mit gesunden Lebensmitteln werden heruntergespielt.
Selbst Coaches für emotionales Essen sehen nur die verzehrte Kalorienmenge und vernachlässigen die psychische Seite.
Dann heißt es:
- Gemüse essen ist immer gut;
- Selbst mit dem Verzehr von zwei Kilo Gemüse kommst du nicht auf 1000 Kilokalorien;
- Achte darauf, genug Eiweiß und Ballaststoffe zu dir zu nehmen.
2. Die Lösung: Mehr Proteine und Ballaststoffe?
Das ist Quatsch, denn entscheidend ist, dass du dich nicht gut fühlst und unter Fressanfällen mit gesundem Essen leidest.
Selbst wenn du viel weniger Kalorien zu dir nimmst als bei klassischen Essanfällen – der Mechanismus, der hinter der Essattacke steht, ist der gleiche.
Es ist der Zwang, weiteressen zu müssen, der dich belastet.
Egal, ob du Brokkoli oder Brownies isst.
Interessanterweise findet sich auch im Programm von Weight Watchers eine Tendenz, das Überessen mit gesunden Lebensmitteln zu befördern:
Von den sogenannten ZeroPoint foods, hierzu gehören Obst und Gemüse, aber auch Tofu, Lachs und Hähnchen, darf man soviel essen, wie man möchte.
Noch zu Studienzeiten saß ich nach dem Mittagessen am Küchentisch und aß einen Apfel.
Und noch einen.
Und noch einen.
Am Ende hatte ich vier große Äpfel gegessen.
Satt war ich immer noch nicht.
Und machte mir Sorgen, zuzunehmen.
Die Mutter meines damaligen Freundes machte Weight Watchers. Ich ließ meinen Freund bei seiner Mutter nachfragen, wie viele Äpfel man bei WW essen dürfe, ohne zuzunehmen.
Sie war sich nicht sicher, meinte aber, zwei seien okay.
Meiner Meinung nach ist es nicht hilfreich, Menschen, die unter emotionalem Essen leiden, in Podcasts, Blogs oder Coachings dazu zu raten, mehr Gemüse und Lebensmittel mit einem hohen Eiweißgehalt zu essen.
Denn die meisten nehmen bereits große Mengen dieser Nahrungsmittel zu sich und neigen stattdessen dazu, zu wenig kohlenhydratreiche Produkte zu essen.
3. Warum hast du „gesunde“ Essanfälle?
Richtig ist, auf das Essverhalten zu schauen.
Wenn du Essanfälle mit gesunden Lebensmitteln hast, ist höchstwahrscheinlich etwas mit deinem Essverhalten insgesamt nicht in Ordnung.
Hier gibt es zwei Komponenten:
- Physisch: Du ernährst dich nicht ausgewogen.
- Psychisch: Du isst aus emotionalen Gründen.
Damit du verstehst, warum du „gesunde“ Essanfälle hast, musst du zur Expertin für dein eigenen Essverhalten werden.
Auch wenn es schmerzhaft ist – es lohnt sich, genau hinzuschauen.
Erst wenn du weißt, worauf und warum du mit Fressanfällen reagierst, kannst du selber etwas dagegen tun.
Im Folgenden stelle ich dir ein paar Fragen zu unterschiedlichen Aspekten deines Essverhaltens und zu deiner Lebenssituation generell.
Am besten ist es, wenn du dir deine Antworten schriftlich notierst.
Bitte achte darauf, ob du bei einigen Themen Widerstände spürst. Wenn dir eine Frage überflüssig oder lächerlich vorkommt, kann das ein erster Hinweis auf den Kern deines Problems sein.
a) Wie sehen die Fressanfälle mit gesundem Essen aus?
- Was isst du bei den Essanfällen?
- Welche Mengen nimmst du zu dir?
- Ist die Menge verzehrter Lebensmittel immer gleich oder schwankt sie stark von Anfall zu Anfall?
- Zu welcher Tageszeit hast du die Fressanfälle?
- Was machst du gewöhnlich, bevor es zu einem Essanfall kommt?
- Wie fühlst du dich vor einem Essanfall? Wie danach?
- Was machst du nach dem Essanfall?
b) Wie würdest du dein Essverhalten insgesamt beschreiben?
- Hast du eine feste Mahlzeitenstruktur (Frühstück, Mittagessen, Abendessen)?
- Lässt du Mahlzeiten ausfallen?
- Nimmst du Snacks zu dir? Welche und wie viele?
- Welche Lebensmittelgruppen nimmst du hauptsächlich zu dir? Aus welchen Makronährstoffen bestehen deine Mahlzeiten? Ernährst du dich überwiegend von Kohlenhydraten, Eiweißen oder Fetten? Wie viel Obst und Gemüse isst du?
- Welche Mengen isst du? Wie sieht eine durchschnittliche Portionsgröße bei dir aus?
- Wie sieht es mit Hunger und Sättigung aus? Spürst du die Signale, die dein Körper dir sendet?
c) Wie fühlst du dich mit deinem Essverhalten?
- Beschränkst du deine Nahrungsaufnahme (durch eine Diät, Kalorienzählen, Fasten oder Regeln wie Nach 18 Uhr nichts mehr essen)?
- Gibt es Essregeln, die du dir selber auferlegst?
- Teilst du Lebensmittel in gut und schlecht ein? Gibt es für dich verbotene Lebensmittel oder solche, die du meidest aus Angst, dich zu überessen?
- Machst du Sport, um Kalorien zu verbrennen?
- Isst du das, worauf du Appetit hast?
- Fühlt sich dein Essverhalten zwanghaft an?
- Wie oft denkst du an Essen?
- Was tust du bei Restaurantbesuchen?
- Wie ist dein Verhältnis zu Süßigkeiten?
d) Wie geht es dir insgesamt?
Wie ist deine Lebenssituation? Schreib sie einmal für eine fremde Person aus der Außensicht auf.
Beziehe alle Lebensbereiche mit ein: Gesundheit, Beziehungen, Finanzen, Arbeit und Beruf.
Ordne jedem Lebensbereich eine Zahl auf der Zufriedenheitsskala von 1 bis 10 zu (1 = sehr unzufrieden, 10 = sehr zufrieden).
Hier ein paar Fragen, auf die du eingehen kannst:
- Hast du die Möglichkeit, dich mit anderen auszutauschen? Bist du einsam?
- Magst du deinen Körper? Fühlst du dich wohl in deinem Körper?
- Erfüllt dich deine Arbeit oder hast du das Gefühl, deine Zeit zu verplempern?
- Wie ist dein Alltag? Bist du ausgelastet, überfordert, unterfordert? Hast du Stress, machst du viele Dinge gleichzeitig?
- Nimmst du dir Zeit für dich selbst?
- Gibt es etwas, das du richtig gern tust, bei dem du alles um dich herum vergisst? Wie oft beschäftigst du dich mit dieser Sache?
4. Fressanfälle mit gesundem Essen stoppen
Es gibt mehrere Dinge, die du tun kannst, um die Essanfälle zu stoppen.
Die Lösung sieht bei jedem Menschen ein bisschen anders aus.
Letztlich findest du deinen eigenen, individuellen Weg, um die Fressattacken zu beenden.
Auch wenn jeder unterschiedlich auf die Fragen in Abschnitt 3 antwortet, gibt es doch eine Reihe von Maßnahmen, die dabei helfen, Fressanfälle mit gesundem Essen zu stoppen.
Lass uns sie Schritt für Schritt durchgehen:
a) Den Druck aus deinem Essverhalten nehmen
Wenn du bereits einige Zeit deine Nahrungsaufnahme reglementierst und unter wiederkehrenden Fressanfällen leidest, scheint es dir unmöglich, dass dein Essverhalten je wieder „normal“ wird.
Den Druck rausnehmen und die Kontrolle sein lassen? Wirst du dann nicht erst recht alles in dich hineinstopfen und (noch mehr) zunehmen?
Das könnte man denken.
Zum Glück ist es jedoch genau umgekehrt!
Ein großer Teil der Essanfälle entsteht gerade aufgrund des Drucks, den du dir machst.
Dazu gehören:
- Verbotsdenken;
- Schwarz-Weiß-Denken und Perfektionsmus;
- Anhaften an (Ess-)Regeln und Vorschriften;
- Unnachsichtigkeit, Disziplin und Strenge dir selbst gegenüber;
- Fokus auf Abnehmen, Aussehen und Gewicht;
- Übermäßige Einschränkung deiner Nahrungsaufnahme;
- Sport treiben mit dem Ziel, Kalorien zu verbrennen.
All dies erhöht konstant den Druck in deinem System.
Deine Gedanken kreisen mehr und mehr ums Essen, du bekommst Heißhunger auf bestimmte Lebensmittel.
Um den Heißhunger in den Griff zu bekommen, erhöhst du den Druck und hältst noch strenger Diät.
Du siehst, was passiert: Druck erzeugt Gegendruck. Du kämpfst gegen dich selbst und kannst dabei nur verlieren.
Wie du damit aufhörst, kannst du hier nachlesen:
- Selbstfürsorge statt Mangeldenken: Nicht WAS du isst, ist entscheidend, sondern WARUM!
- Wie dir Selbstmitgefühl hilft, dich nicht mehr zu überessen
Wenn du den Druck aus deinem Essverhalten nimmst, stellst du wieder Kontakt zu deinem Inneren her und gibst ihm die Chance, dir zu sagen, was gut für dich ist.
b) Gesunde Essgewohnheiten lernen
Eine Kalorienrestriktion hat nicht nur Konsequenzen für dein psychisches Wohlbefinden, sie wirkt sich auch auf deinen Körper aus.
So kann etwa der Verzicht auf Getreideprodukte langfristig zu einem Nährstoffmangel führen.
Verbotene Lebensmittel wieder zuzulassen, regelmäßig zu essen und das Kalorienzählen aufzugeben ist ein Prozess, der mehrere Wochen oder Monate dauern kann.
Welche Essgewohnheiten dir gut tun, findest du letztendlich selber heraus.
Es gibt ein paar Fragen und Ideen, an denen du dich orientieren kannst:
- Welche Lebensmittel tun dir gut? Wie fühlst du dich nach dem Verzehr eines Lebensmittels?
- Versuche, ohne Ablenkung zu essen und dich auf das zu konzentrieren, was du zu dir nimmst. Wie sieht es aus, wie riecht es, wie fühlt es sich in deinem Mund an?
- Wie viele Mahlzeiten tun dir gut und passen zu deinem Tagesablauf?
- Wenn du morgens keinen Hunger hast, macht es keinen Sinn, dir ein Frühstück reinzuzwingen.
- Wie fühlen sich Hunger und Sättigung an? Hier findest du eine Hunger-Sättigungsskala, an der du dich orientieren kannst.
- Automatisierung: Mehrmals täglich Essentscheidungen zu treffen ist anstrengend. Besonders am Anfang hilft es, wenn du nicht zu viel über Essen nachdenken musst. Entwickle ein paar Standardgerichte und versuche, immer du ähnlichen Zeiten zu essen.
Fange langsam an und standardisiere zunächst nur eine Mahlzeit.
Die riesige Auswahl an Lebensmitteln und die Vielzahl an möglichen Ernährungsweisen können überfordern.
Eine Essroutine, die zu dir und deinem Leben passt, macht es dir einfacher, mit diesen Herausforderungen umzugehen.
Je mehr du lernst, deinem Körper zu vertrauen, umso einfacher wird es, Essentscheidungen zu treffen, die dir gut tun.
Wenn du mit meiner Hilfe herausfinden möchtest, welche Essgewohnheiten für dich funktionieren und dir helfen, zu einem normalen Essverhalten zu finden, kontaktiere mich gern für ein unverbindliches Kennenlerngespräch.
c) Emotionales Essen auflösen
Ein dritter wichtiger Schritt, um deine Essanfälle mit gesundem Essen zu stoppen, ist die Auseinandersetzung mit dem Essen aus emotionalen Gründen.
Emotionales Essen ist aus zwei Gründen problematisch:
- Wenn du isst, weil du müde, wütend, traurig oder gelangweilt bist, nimmst du dir damit die Möglichkeit, deine körperlichen Bedürfnisse (Ruhe, Entspannung, Schlaf) zu erfüllen und deine Gefühle zu spüren.
- Essen ohne physischen Hunger führt auf Dauer zur Gewichtszunahme.
Woran erkennst du, ob du aus emotionalen Gründen isst?
In diesen Artikeln lernst du typische Anzeichen für emotionales Essen kennen:
- 5 Anzeichen, dass du aus emotionalen Gründen isst
- Achtung, emotionales Essen! Kommen dir diese 7 verzwickten Situationen bekannt vor?
Oder mach den Test:
Bist du eine emotionale Esserin?
Komme deinem Heißhunger auf die Schliche und verstehe endlich, warum du isst, obwohl du nicht hungrig bist.
Einige Dinge, die du tun kannst, um emotionales Essen aufzulösen:
- Lerne, körperlichen und seelischen Hunger voneinander zu unterscheiden. Wenn du essen möchtest, spüre in deinen Magen und frage dich, ob du physisch hungrig bist. Lautet die Antwort „Ich weiß es nicht“, handelt es sich höchstwahrscheinlich um emotionalen Hunger.
- Stell durch bewusstes Atmen, Meditation und Schreiben den Kontakt zu deinem Inneren her und identifiziere deine Gefühle und Bedürfnisse.
- Wie gehst du mit deinen Emotionen um? Oft reicht es, tief zu atmen, das Gefühl anzuschauen und zuzulassen. Bei sehr starken Emotionen helfen Techniken, wie du sie in meinem Onlinekurs Frei zu essen kennenlernst.
- Wie begegnest du Situationen, in denen du dich häufig überisst oder Essanfälle hast? Wie kannst du deine Bedürfnisse ohne Essen befriedigen?
- Einen ausführlichen Artikel mit Strategien gegen emotionales Essen findest du hier: Schritt-für-Schritt-Anleitung: Emotionales Essen erkennen und abgewöhnen [inkl. Test „Bist du eine emotionale Esserin?“]
Ein Beispiel: Fressattacken treten häufig abends auf, wenn die Kinder im Bett und alle Pflichten des Tages erledigt sind.
Mit Essen entspannen und belohnen wir uns.
Frag dich doch mal, welche andere Aktivität(en) diese Funktionen erfüllen könnte(n).
Ein paar Ideen:
- Auf dem Rücken liegen, in die Wolken schauen und einfach mal NICHTS tun.
- Auf dem Sofa rumhängen und genüsslich eine heiße Tasse Tee trinken.
- Vielleicht brauchst du Entspannung in Form von Bewegung: Mach einen Spaziergang oder geh eine Runde laufen.
- Lass dich von deinem Partner massieren oder massiere dich selbst auf einer Faszienrolle.
Willst du Heißhunger, Essdrang und Fressattacken loswerden und die Kontrolle über dein Essverhalten zurückgewinnen?
Hallo,
Ich leide unter meinem Essverhalten, ich muss mir das Essen erst“verdienen“, durch Sport, Bewegung, und erst dann esse ich…. Leider viel zu große Portionen , viel zu viel Obst ( Äpfel) und Gemüse( einen sehr großen Topf voll, entweder Rohkost oder einfach in Wasser gegart, mit Essig, oder Sojajoghurt, Quark, mal auch mit Nüssen und Mandel, Kürbiskernen).
Ich esse alles auf, bis mein Bauch schmerzt und rund ist, wie bei einer Hochschwangeren.
Es fühlt sich schlimm an, und ich kann danach nur noch liegen…
Ich weiß eigentlich sehr gut, dass mein Essverhalten falsch ist, aber ich kann nicht aufhören….
Ich lebe seit 6 Jahren alleine, und es wird immer schlimmer….
Hallo Steffi,
das klingt schlimm, was du schreibst.
Als ich noch studiert habe, ging es mir genauso wie dir.
Kann es sein, dass du zu streng zu dir bist und zu viel Druck auf dich ausübst?
Was würde passieren, wenn du den Sport für eine Weile sein lässt und nur die Dinge isst, auf die du wirklich Lust hast?
Ich höre auch heraus, dass du einsam bist. Hast du Freunde oder Familienmitglieder, mit denen du dich austauschen kannst?
Oder gibt es Möglichkeiten, neue Menschen in deiner Stadt kennenzulernen?
Wenn es dir nicht gut geht, wirkt sich das auf dein Essverhalten aus.
Ich wünsche dir alles Gute!
Herzliche Grüße
Marion