Ein stressiger Tag auf der Arbeit, Ärger in der Beziehung, die Wäsche musst du auch noch aufhängen – erstmal einen Schokoriegel essen, um runterzukommen. Oder bei Rewe eine Tüte Chips mitnehmen, du musst sie ja nicht aufessen. Nur eine Handvoll.
Frustessen kann ganz schön nerven. Du isst mehr, als du eigentlich willst. Du nimmst nicht ab, sondern zu. Und so langsam kommt es dir so vor, als wärst du süchtig nach dem süßen (oder salzigen) Zeug.
Keine Lust mehr auf Frustessen? Hier erfährst du, wie du Frustessen ein für allemal stoppst.
1. Was ist Frustessen?
Frustessen ist eine Kompensationsstrategie: Du isst, um mit unangenehmen Gefühlen oder Gedanken zurechtzukommen? Zurechtkommen klingt noch passabel, in den meisten Fällen ist Frustessen eine Verdrängung.
Du willst die negativen Gedanken, Gefühle oder Körperempfindungen (Müdigkeit, Erschöpfung) nicht haben und greifst zu Essen. Bei vielen ist diese Verknüpfung so tief verankert („habitualisiert“), dass sie gar nicht mehr wahrnehmen, dass sie diese Gefühle, Gedanken und Empfindungen haben.
Deine Kollegin hängt ständig in der Teeküche ab, die ganze Arbeit bleibt an dir hängen. Abends bleibst du sogar länger, obwohl Partner:in / Kinder / Haustier / Haushalt zuhause auf dich warten. Und die Olle schäkert rum, anstatt den Hintern hochzukriegen und die Arbeit zu erledigen!
Auf dem Nachhauseweg gehst du noch schnell einkaufen. Was gibt es eigentlich zum Abendessen? Nach dem langen Tag hast du dir eine Pizza verdient. Und zum Nachtisch Eis? Im Auto isst du erstmal einen Schokoriegel. Irgendwie beruhigend, dass du gleich eine Zehnerpackung gekauft hast…
Wahrscheinlich merkst du gar nicht, was in dir vorgeht. Einerseits bist du wütend auf deine Kollegin und auf deine:n Chef:in (merkt die:der denn nichts?!). Andererseits ärgerst du dich über dich selbst: dass du es mit dir machen lässt, nichts sagst. Und am meisten ärgert dich, DASS du dich überhaupt darüber ärgerst – kannst du nicht einfach mal zufrieden sein?
Vielleicht hast du Gedanken wie:
- Mich bemerkt niemand.
- Ich falle keinem auf.
- Ich bin nur ein Rädchen in der Maschine.
- Mich lobt niemand.
- Ich muss funktionieren.
- Ich darf keine Fehler machen.
- Was ich will, ist nicht wichtig.
- Ich darf nicht sagen, was ich will / brauche.
Das alles zusammen macht ein Riesenfass auf. Aber du hast einen langen Tag hinter dir und willst dich nicht auch noch mit so schwierigen Gefühlen und Gedanken herumschlagen.
Du willst einfach den ganzen Mist vergessen und dich entspannen.
Was gibt es da Besseres als Essen?
Kaum beißt du in den Schokoriegel, geht es dir besser.
Das zieht sich durch den ganzen Abend – solange du am Essen bist, bleibt das Gedanken – und Gefühlskarussell stehen.
Das Dumme: Essen hilft nur kurzfristig.
Am Ende fühlst du dich doppelt schlecht, denn durch das Frustessen hast du vermieden, dir die Situation bewusst zu machen und kannst sie folglich auch nicht ändern.
Du isst den Frust weg, anstatt dich ihm zu stellen.
Hinzu kommt, dass du dich körperlich unwohl fühlst. Du isst nicht das, was du eigentlich willst (Gemüse-Bowl statt Schokoriegel). Du überisst dich. Du hältst keine Diät durch. Du nimmst zu. Und so weiter.
Frustessen = Süßigkeiten & Chips?
Frustessen hat nicht unbedingt mit „ungesunden“ Lebensmitteln zu tun.
Du kannst dich auch mit Brokkolicremesuppe abreagieren oder trösten, es müssen nicht immer Eis, Chips oder Schokolade sein.
Du erkennst Frustessen nicht an dem, was du isst, sondern daran, warum du isst.
Und manchmal auch daran, wie viel du isst. Bei einigen führt Frustessen nämlich zum sogenannten Volumenessen . Hier nimmst du große Mengen kalorienarmer Lebensmittel zu dir, um lange essen zu können, ohne dabei zu viele Kalorien aufzunehmen.
Hier erfährst du mehr darüber: Ist zu viel Gemüse ungesund? Warum Volumenessen keine gute Idee ist und wie du damit aufhörst.
Je mehr du dich daran gewöhnt hast, aus Frust zu essen, desto wahrscheinlicher ist es, dass du insgesamt zu viel isst. Vielleicht hast du verlernt, zwischen den Mahlzeiten nicht zu snacken oder normale Portionsgrößen zu dir zu nehmen.
Je länger du das bereits machst, desto weniger merkst du vielleicht auch, dass du zu viel isst. Du hast verlernt, 3 Mahlzeiten zu essen oder normale Portionsgrößen zu dir zu nehmen, weil du Essen missbrauchst, um Frust abzureagieren)
2. Die Ursachen für Frustessen
Die psychische Funktion von Essen
Woher kommt Frustessen?
Frustessen hat bei vielen die Wurzeln in der Kindheit. Erwachsene zeigen uns, dass man Essen nicht nur zum Stillen körperlichen Hungers benutzen kann. Sie trösten uns mit Essen, belohnen uns mit Essen, geben uns Essen, wenn wir uns langweilen.
Essen bekommt eine psychische Funktion.
Frustessen ist eine Form von emotionalem (genauer: emotionsregulierendem) Essen. Und emotionales Essen wird schnell zur Gewohnheit.
Das führt dazu, dass du körperlichen Hunger immer schlechter spürst bzw. ihn nicht mehr so gut von emotionalem oder physischem Hunger unterscheiden kannst.
Und heute hast du nur noch das drängende Gefühl (oder ist es ein Gedanke), essen zu müssen, komme, was wolle. Du merkst nicht, welche Gedanken, Gefühle, Empfindungen hinter dem Drang stehen.
Dabei hat jede:r persönliche Trigger, die Frustessen auslösen. Vielleicht kann dir Stress auf der Arbeit nichts anhaben, aber Streit in der Familie macht dich fertig.
Frustessen-Trigger kannst du dir so vorstellen, dass jemand auf einen Knopf drückt und dir automatisch nach Essen verlangt.
Meine kleine Tochter lebt abwechselnd bei mir und bei ihrem Papa. Wir wechseln alle vier Tage. Ich bringe M zum Kindergarten und hole sie erst in vier Tagen wieder ab. Ich komme nach Hause und sie ist nicht da. Ihr Frozen-Schloss wohl. Und dann esse ich Suppe. Ob ich hungrig bin oder nicht. Kürbissuppe, Brokkolisuppe, Lauchcremesuppe. Ein, zwei, drei, vier Teller. Die Leere bleibt.
Frustessen als Druckabbau
Eine andere Ursache für Frustessen ist Druck.
Bist du ehrgeizig? Überzeugt davon, leisten zu müssen?
Dein erster Impuls ist: „Nein, ich doch nicht!“?
Wie oft kommt in deinen Gedanken das Wort muss vor?
- Heute muss ich weniger essen.
- Gleich muss ich die Kinder zur Schule bringen.
- Die Fenster müssen dringend geputzt werden.
- Ich muss mit der Chefin sprechen.
- Ich müsste mal wieder mit meinem Mann schlafen, damit er nicht böse wird.
- Ich muss noch einkaufen, es sind keine Nudeln mehr da.
Darf nicht ist ein ebenso heißer Kandidat:
- Ich darf keine zweite Portion nehmen.
- Ich darf mich nicht hinlegen, erst noch die Sache zu Ende bringen.
- Ich darf mich nicht so gehen lassen.
Je strenger du zu dir selbst bist, je mehr du dich antreibst, desto mehr Druck baut sich auf. Und Druck erzeugt Gegendruck.
Anders gesagt, muss der Druck irgendwann raus.
Und das geschieht durch – du ahnst es – Essen.
Rigider Umgang mit Essen
Ein anderer, hiermit eng zusammenhängender Faktor, der Frustessen befördert, ist ein rigider Umgang mit Essen allgemein.
Schwarzweißdenken, Diäten und Essverbote verstärken den Druck und damit den Drang, in schwierigen Situationen zu Essen zu greifen.
Ein paar Beispiele für unflexibles, rigides Denken:
- Ich habe wieder nicht widerstehen können, was bin ich für eine Versagerin!
- Jetzt bin ich schon angefangen mit den Keksen, dann kann ich auch den Rest noch aufessen.
- Ich fange Montag an, am Wochenende sind wir eingeladen.
- Ich muss zu jeder Mahlzeit Gemüse essen.
Essverbote klingen so:
- Helles Brot macht dick.
- Zucker macht süchtig.
- Butter ist schlecht.
- Ich darf nicht frühstücken, sonst nehme ich nie ab.
- So wenig Kohlenhydrate wie möglich!
Wenn ich mich nicht einschränke und mir alles erlaube, esse ich ja noch mehr!
Es geht nicht darum, dir – wie beim intuitiven Essen – alles zu erlauben.
Sondern darum, den Druck rauszunehmen und nett zu dir zu sein.
Dann könnten sich deine Gedanken so anhören:
Früher: Helles Brot macht dick.
Heute: Ich habe echt Lust auf Brot. Aber wenn ich mir jetzt das Baguette kaufe, fällt es mir vielleicht wieder schwer, mit dem Essen aufzuhören. Und dann fühle ich mich anschließend mies. Ich mache mir lieber zuhause einen warmen Couscous-Salat, das geht genauso schnell und macht mich lange satt.
Auf diese Weise vermeidest du, dass der Druck durch Verbote größer wird. Und Druck, das hast du ja bereits oben erfahren, ist eine der Hauptursachen für Frustessen.
Außerdem trainierst du Selbstmitgefühl.
Anstatt von einem Extrem (Essen verbieten) ins andere (unbeschränkt essen) zu fallen, nutzt du Achtsamkeit, um herauszufinden, was dir gut tut, was du wirklich brauchst.
Dann hat gesunde Ernährung nichts mehr mit Verboten, Disziplin und Kontrolle zu tun, sondern ist Ausdruck von Selbstfürsorge.
Du musst dir nichts mehr verbieten, sondern findest zu einem ausgewogenen Verhältnis zum Essen, in dem auch Spaßessen einen Platz hat, du achtsam mit deinen Gefühlen und Bedürfnissen umgehst und Frustessen nicht mehr nötig hast.
3. Was tun gegen Frustessen?
Wenn du Frustessen aufhören willst, musst du an der Ursache ansetzen. Ich empfehle dir, die folgenden Schritte zu gehen:
1. Erkenne deinen Frust
Frustessen entsteht oft dadurch, dass wir Stress, Ärger und unangenehme Gefühle durch Essen wegschieben oder betäuben. Diese Gewohnheit kannst du durchbrechen, indem du deinen Frust in einem ersten Schritt erkennst.
Dazu schreibst du einfach auf, was in dir vorgeht. Welche Gedanken, welche Gefühle hast du? Wie fühlst du dich? Wo in deinem Körper spürst du den Frust?
Aufschreiben geht nicht? Nutze die Diktierfunktion auf deinem Handy. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass durch Sprechen ein noch direkter Kontakt zur eigenen Gemütslage entsteht.
2. Erlaube dir Frust
Auf Erkennen folgt Erlauben. Schiebe negative Gedanken und Gefühle nicht gleich zur Seite, sondern lass sie sein. Beobachte, wie sie sich verändern, wie sie kommen und gehen. Aus der Perspektive des Verdrängens erscheint „Frust“ als ein großer, böser, schmerzhafter Klumpen, der so schnell wie möglich verschwinden soll.
Je genauer du jedoch hinschaust, was eigentlich drinsteckt in deinem Frust-Paket, umso deutlicher merkst du, dass es nicht eine Wand oder ein Block ist, gegen du ankämpfen musst (und nur verlieren kannst), sondern aus ganz unterschiedlichen Elementen zusammengesetzt ist: Müdigkeit, Erschöpfung, Überarbeitung, Enttäuschung, Traurigkeit, Scham, Ärger und Gedanken, die dich antreiben oder sogar beschimpfen.
Konzentriere dich auf ein Element aus deinem Frust-Paket und beobachte es. Zum Beispiel Stress: Wo fühlst du ihn in deinem Körper? Welche Farbe hat er? Welche Form? Bewegt er sich? Auf welche Weise? Nimmt er zu und ab, oder bleibt er gleich?
3. Finde deine Frustessen-Trigger
Welche der Gefühle, Gedanken und körperlichen Empfindungen aus deinem Frust-Paket führen zum Frustessen? Kannst du identifizieren, was genau dich zum Kühlschrank oder zur Süßigkeitenschublade treibt? Sind es eher Gedanken oder Gefühle? Erschöpfung oder Müdigkeit? Wenn Gedanken, welche? Und falls es Gefühle sind, welche möchtest du besonders schnell loswerden und greifst zu Essen?
Wenn du weißt, was dein Frustessen auslöst, bist du leichter in der Lage, das Frustessen zu stoppen, bevor es anfängt.
Zu Beginn ist das schwierig, es erfordert Übung und oftmals auch Hilfe eines Coachs, eines Therapeuten oder einer Therapeutin. Kontaktiere mich für ein unverbindliches Kennenlerngespräch, wenn du Unterstützung brauchst.
4. Lerne, bei Frust nicht zu essen
Das ist die hohe Kunst: All die unangenehme Gedanken, Gefühle und Empfindungen zu haben und NICHT zu essen.
Die Verbindung zwischen Frust und Essen erscheint schon beinahe als etwas Zwangsläufiges.
Die Zwangsläufigkeit entsteht aber nicht durch die Tatsache, dass Frust (genauer: ein Frust-Paket) da ist (schließlich haben alle Menschen täglich mit Frust zu tun), sondern durch die Art und Weise, wie du mit ihm umgehst.
Du schiebst ihn weg, willst ihn nicht sehen, nicht haben – und benutzt zum Wegschieben das Essen
Diese Verbindung kannst du durchtrennen, indem du einerseits daran arbeitest, deine Gefühle zu akzeptieren und dich von deinen Gedanken zu distanzieren („Defusion“) und andererseits lernst, dir mit Mitgefühl und Empathie zu entgegnen.
Akzeptanz, Defusion und Selbstmitgefühl sind die Zaubermittel, die dir helfen, die scheinbar schicksalshafte Verbindung zwischen Frust und Essen zu durchtrennen.
5. Sorge für weniger Frust
Alle Coachingtechniken und Selbstliebe-Meditationen der Welt nützen dir nichts, wenn dein Leben nicht so ist, wie du es haben willst.
- Du arbeitest 39 Stunden die Woche in einem Job, der dich nicht erfüllt.
- Du wünschst dir Kinder, bist aber mit jemandem zusammen, der:die keine Kinder möchte.
- Du bist selbstständig und dir fehlt der Kontakt zu anderen Menschen.
- Du wärst gern aktiv und sportlich, kannst dich aber einfach nicht aufraffen.
- Du würdest gern mehr lesen, verbringst aber jeden Abend mit Netflix.
Manchmal liegt es an dir, dass du nicht im Einklang mit deinen Werten lebst (Fall 4 und 5). Das kannst du verändern, indem du deinen Umgang mit Gefühlen und (vor allem) Gedanken änderst.
Oft ist es aber auch die Gesamtsituation, die dich unglücklich macht, weil sie schlichtweg nicht das ist, was du möchtest (Fall 1-3). Jeden Tag, den du in der Situation bleibst, triffst du eine Entscheidung für den Vollzeitjob, für die kinderlose Beziehung, für die soziale Isolation – ohne es zu merken.
Bei emotionalen Esser:innen führen solche Konstellationen meist zu gewohnheitsmäßigem Frustessen. Das Frustessen zeigt, dass etwas nicht stimmt in deinem Leben. (Danke, Frustessen!) Um da wirklich herauszukommen, reicht es nicht, an deiner inneren Haltung zu arbeiten und deine Gefühle zu akzeptieren.
Über kurz oder lang musst du die Ursache für deinen Frust anpacken und dein Leben ändern.