Du hast so viel zu tun, dass du schon gar nicht mehr weißt, was. Wie beruhigend ist es da, dir ein Stück Schokoriegel in den Mund zu stecken oder salzig-saure Kartoffelchips zu knuspern.
Doch Stress-Essen hilft nur kurzfristig gegen Druck und Anspannung. Anschließend bist du nicht nur weniger gestresst, sondern auch noch genervt von dir selbst.
Was kannst du gegen Essen aus Stress tun? Disclaimer: ausreichend Schlaf, 10 Minuten lesen und regelmäßig bewegen sind nicht die Lösung.
Jetzt auch als Folge 46 des Schlanke-Gedanken-Podcasts!
1. Chronischer Stress, toxischer Stress und Stress-Essen
Stress ist an sich nichts Schlechtes.
Bei kurzfristigem Stress schüttet der Körper Hormone (Adrenalin, Cortisol) aus, die dafür sorgen, dass du Höchstleistungen vollbringen kannst (zum Beispiel von Gleis 2 zu Gleis 17 sprinten, um den ICE noch zu erwischen). Diese Art von Stress kann sich vorteilhaft auf die Gesundheit auswirken und wird daher auch positiver Stress genannt.
Bei negativem Stress hingegen wird der Hormonschub nicht heruntergefahren, sondern aufrechterhalten. Das Ergebnis: du befindest dich in einem konstanten Flucht-oder-Angriff-Modus. Stress wird chronisch.
Ich nenne chronischen Stress auch toxischen Stress, denn er vergiftet dich von innen. Genauer: Du vergiftest dich selbst – durch die Ansprüche, die du an dich selbst stellst.
Dazu gehören Gedanken, Regeln und Glaubenssätze wie ich muss alles schaffen, ich muss gut sein, wenn ich Fehler mache oder nicht perfekt bin, werde ich abgelehnt.
Aus diesen wiederum resultieren Gefühle: Sorge, Befürchtungen und Angst: davor, es nicht zu schaffen, nicht gemocht zu werden, gekündigt zu werden usw.
Das Ergebnis: Das Stresslevel steigt weiter.
2. Gründe für Essen bei Stress
Bei akutem, positiven Stress wird Adrenalin ausgeschüttet, das dafür sorgt, dass du weniger Hunger hast.
Wer will beim Kämpfen gegen den Säbelzahntiger schon an das nächste Schweinskotelett denken?
Chronischer Stress hingegen bedeutet, dass der Cortisolspiegel abends nicht sinkt. Das Cortisol hemmt die Produktion der Hormone Melatonin (für Schlaf zuständig) und Leptin (sorgt für Sättigung).
Außerdem wird vermehrt Ghrelin freigesetzt, welches den Appetit steigert. Besonders auf schnelle Kohlenhydrate, die der Körper rasch in Energie umwandeln kann (Süßigkeiten, Fast Food, Chips…).
Ein hoher Cortisolspielgel führt außerdem dazu, dass Insulin ausgeschüttet wird und der Blutzuckerspiegel steigt.
Ergebnis: Überschüssige Energie wird als Fett im Körper gespeichert.
Kurz gesagt:
Chronischer Stress bedeutet, dass du ständig Lust auf ungesundes „Spaßessen“ hast, kaum Sättigung verspürst und müde bist ohne schlafen zu können.
Wenn das mal nicht ein gewaltiger Mist ist!
Stress-Essen ist emotionales Essen
Stress-Essen ist typisches emotionales, oder genauer: emotionsregulierendes, Essen.
Essen bei Stress folgt demselben Dreiklang wie Essen aus Müdigkeit, Traurigkeit, Wut oder Langeweile:
- Das unangenehme Gefühl (Stress) wird weggedrückt;
- Es wird durch positive Empfindungen, die das Essen auslöst, ersetzt;
- Die Tatsache, dass du gegessen hast, obwohl du nicht wolltest (oder doch wieder zu Spaßessen gegriffen hast), erzeugt neuen Stress bzw. erhöht das Stresslevel.
Stress-Essen erfüllt Funktionen, die nichts mit dem Stillen körperlichen Hungers zu tun haben:
- Beruhigung
- Ablenkung
- Belohnung
- Glück
- Geborgenheit
- Trost
Wenn du dazu neigst, bei Stress zu essen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du auch noch aus anderen Gründen isst, die nichts mit physischem Hunger bzw. dem Versorgen deines Körpers mit Nährstoffen zu tun haben
Bist du eine emotionale Esserin?
Komme deinem Heißhunger auf die Schliche und verstehe endlich, warum du isst, obwohl du nicht hungrig bist.
3. Stress-Essen stoppen
Um Essen aus Stress sein zu lassen, reicht es nicht, bei Stress nicht mehr zu essen.
Die üblichen „7 Tipps gegen Stress-Essen“ richten sich oft allein auf das Essen, nicht aber um den Stress als solchen.
Um wirklich mit dem Stress-Essen aufzuhören, darfst du zwei Dinge ändern:
- Auf Stress (und andere unangenehme Empfindungen) nicht mit Essen reagieren;
- Stress in deinem Leben reduzieren, besonders chronischen bzw. toxischen Stress.
3.1. Bei Stress nicht essen
Wie oben dargestellt, geht es beim Essen aus Stress um das Wegdrücken des Stresses.
Du isst, um den Stress nicht zu spüren.
a) Stress im Körper fühlen
Möchtest du aufhören, bei Stress zu Essen zu greifen, darfst du lernen, den Stress da sein zu lassen, ihm Raum zu geben.
Nimm dazu Kontakt zu deinem Körper auf.
Atme tief ein und aus. Wo spürst du den Stress, den Druck, das Gehetztsein?
Kannst du in den Stress hineinatmen? Hat er eine Farbe, eine Gestalt, einen Klang?
b) Stress-Gedanken zulassen
Das Wegschieben geschieht auch über die Gedanken. Oft essen wir, um unangenehme Gedanken nicht denken zu müssen.
Isst du, um dir nicht eingestehen zu müssen, dass du gestresst bist?
Gestresstsein ist was für Schwache!
Komme solchen Gedanken auf die Schliche und löse dich von ihnen.
c) Gewohnheitsmäßiges Stress-Essen durchbrechen
Essen bei Stress passiert nicht nur, weil du ungewollte Gedanken und Gefühle loswerden willst. Es verselbständigt sich darüber hinaus zu einer Gewohnheit.
Wie oft steckst du dir etwas in den Mund ohne es zu merken oder darüber nachzudenken?
Ich hatte früher die Gewohnheit, eine Handvoll Nüsse zu essen bevor ich das Haus verlies (um zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Sport zu gehen, um meine Tochter abzuholen, um eine Freundin zu treffen).
Mittlerweile lagern die Nüsse (und die Trockenfrüchte) ganz oben im Schrank, sodass ich auf einen Stuhl steigen muss, um an sie heranzukommen.
Die zusätzliche Bewegung (Stuhl holen, draufsteigen) durchbricht das Automatische der Gewohnheit und ich verlasse meine Wohnung mittlerweile ohne Cashews und Walnüsse im Mund.
Welche Bewegung kannst du zwischen Reiz (wiederkehrende Stress-Situation) und Reaktion (essen) schieben, um mit dem gewohnheitsmäßigen Stress-Essen aufzuhören?
3.2. Das wirksamste Mittel gegen Stress-Essen: Stress reduzieren
Dieser Punkt steht an letzter Stelle der Tipps gegen Essen bei Stress – nicht, weil er nicht so wichtig ist, sondern weil er im Gegenteil entscheidend ist.
Wenn dein Leben daraus besteht, von A nach B nach C zu hetzten (ob räumlich oder von Aufgabe zu Aufgabe) und dich am Wochenende darüber zu ärgern, dass du einfach nur erschöpft bist und keine Energie hast für das, was du wirklich gerne tun würdest (was dazu führt, dass du nie Energie und Zeit für die wirklich schönen Dinge im Leben hast),
DANN sollst du dir auch noch das Vergnügen zu essen versagen?
Hör also auf, am Essen herumzudoktern und reduziere den Stress in deinem Leben!
a) Aufgaben-Stress reduzieren
- Verschaff dir als erstes eine Übersicht. Führe ein Stress-Tagebuch, in dem du dir eine Woche lang alle täglichen Aufgaben und Belastungen notierst.
- Löse dich von Tätigkeiten, die nicht wirklich wichtig sind oder die dir mehr Energie nehmen als sie dir geben.
- Dazu zählt vor allem dein Job? Du lebst nur einmal. Reduziere Stunden oder überlege dir eine Ausstiegsstrategie. Mehr dazu erfährst du in meinem Minimalismus-Handbuch.
- Baue Ruhe-Inseln in deinen Alltag ein. Gewöhne dir an, bewusst und tief zu atmen (auf dem Weg zur Toilette, an der Kasse, an der Haltestelle). Bewege dich regelmäßig. Geh an die frische Luft. Verbringe deine Freizeit nicht mit Bildschirmen.
- Großeinkauf und Vorkochen am Wochenende verschaffen dir wertvolle freie Stunden in der Woche.
b) Gedanken-Stress reduzieren
Stress reduzierst du nicht nur, indem du dir weniger vornimmst und deine Arbeitsstunden runterfährst.
Eine wichtige Rolle spielt auch gedanklicher Stress.
Toxischer Stress entsteht schließlich durch die Art, wie du über dich denkst und mit dir sprichst.
Glaubenssätze wie Ich bin nicht genug, ich muss leisten, ich muss funktionieren führen schnell zu einem Teufelskreis aus negativem Selbstbild, Stress und Essdrang.
Essen darf ich, ausruhen nicht!
Erwischt?
Um bei gedanklichem Stress nicht mehr zu essen, ist ein erster Schritt, dir einzugestehen, dass du diese Glaubenssätze hast.
Schreib sie auf, am besten auf ein Blatt Papier, und lege es vor dich hin.
Was fühlst du?
Welche Verbindung besteht zwischen dir und diesen Überzeugungen?
Willst du lernen, dich von deinen negativen Glaubenssätzen (und ungünstigen Gedanken generell) zu lösen, empfehle ich dir das Buch Raus aus der Glücksfalle* von Russ Harris.
4. Zusammenfassung: Was tun gegen Stress-Essen?
Was kannst du gegen Stress-Essen tun?
Wenn du bei Stress nicht essen willst, kannst du das Problem auf zwei Weisen anpacken.
Eine Möglichkeit ist, bei Stress nicht zu essen.
Eine andere, den Stress in deinem Leben zu reduzieren.
Um bei Stress nicht zu Essen zu greifen, darfst du lernen, Stress zuzulassen:
Wo fühlst du ihn im Körper?
Welche Gedanken hast du?
Außerdem ist es wichtig, gewohnheitsmäßiges Stress-Essen sein zu lassen.
Alle Tipps, um bei Stress nicht zu essen, werden dir nur kurzfristig etwas bringen, wenn du das grundlegende Problem dahinter nicht angehst.
Schließlich weisen dich Gefühle und Gedanken darauf hin, dass etwas in deinem Leben nicht stimmt.
Anders gesagt:
Bist du dauernd gestresst und hetzt durch dein Leben anstatt es zu genießen, helfen dir die schönsten Tipps zur Verbesserung deines Essverhaltens (mehr Ballaststoffe essen, Reiswaffeln statt Schokoriegel kaufen) auch nicht weiter.