Nachmittags oder abends überkommt dich eine riesige Lust. Lust auf Süßes, Lust zu essen, Lust weiterzuessen, Lust dich zu überessen. Einfach zu essen und an nichts mehr zu denken. Anschließend fühlst du dich elend und machst dir Vorwürfe.
Was kannst du vor dem Heißhungeranfall tun, um das Überessen zu stoppen?
Jetzt auch als Folge 43 des Schlanke-Gedanken-Podcasts!
1. Hast du Hunger?
Bist du körperlich hungrig? Hast du eine Mahlzeit ausfallen lassen oder nur Blattsalat zu Abend gegessen?
Dann kann es durchaus sein, dass du physischen Hunger verspürst.
Heißhunger kann durch übergroßen Hunger entstehen.
Ist das der bei dir Fall: Iss etwas, das dich nährt.
Dich nähren Lebensmittel und Gerichte, die…
- dich sättigen,
- dich mit Nährstoffen versorgen,
- die du gern isst,
- die dir guttun,
- auf die du Appetit hast.
Natürlich ist beim Essen Zufriedenheit wichtig: Nach dem Essen solltest du nicht nur satt sein, sondern auch zufrieden.
Denn was bringt es dir, wenn du etwas Sättigendes und Nährstoffreiches zu dir nimmst, das dir in dem Moment eigentlich gar nicht schmeckt?
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es zum Heißhungeranfall kommt: Du isst nach der Mahlzeit weiter und greifst letztendlich zu dem, das du wirklich essen möchtest.
Eine tiefe Zufriedenheit beim Essen stellt sich ein, wenn du zugleich etwas Gutes für deinen Körper und für deine Seele tust.
Ob du wirklich hungrig bist oder nur Appetit verspürst, erkennst du daran, dass du alles essen könntest. Schokobrötchen, Erbsen und Möhren, Nudeln mit Tomatensauce – egal.
Bei echtem Hunger ist es deine Aufgabe, anhand der oben genannten Kriterien eine kluge Wahl zu treffen.
2. Vor dem Heißhunger: Atmen
Bevor es zu einem Heißhungeranfall kommt, begebe dich durch Atmen bewusst vom Verstand in deinen Körper:
- Setz dich auf einen Stuhl oder auf den Boden.
- Mach deinen Rücken ganz lang und gerade.
- Streck den höchsten Teil deines Kopfes in Richtung Zimmerdecke.
- Atme bewusst tief ein und aus.
- Spüre, wie mit jedem Atemzug dein Rücken noch ein Stück länger und aufrechter wird und sich dein Kopf noch weiter nach oben streckt.
- Fühle deinen Atem im Rücken, in der Wirbelsäule, im Nacken, in deinem Hinterkopf.
- Atme ruhig und tief weiter und lass deine Aufmerksamkeit durch deinen Körper wandern.
- Gibt es Körperteile, die besonders nach Aufmerksamkeit verlangen?
- Atme in diese Körperstellen hinein.
- Was fühlst du?
Gefühle sind im Körper lokalisiert. Stößt du beim bewussten Atmen auf Stellen in deinem Körper, die sich verkrampft oder verknotet anfühlen, können sich hier verdrängte oder unterdrückte Gefühle verbergen.
Emotionen, die lange nicht gespürt worden sind, kommen oft mit großer Heftigkeit zurück ins Bewusstsein.
Erinnere dich daran, wo du dich befindest und dass dir nichts geschehen kann. Konzentriere dich auf deinen Atem und versuche, zu fühlen, was da ist.
Verlangen die Gefühle eine körperliche Reaktion, gib dieser ruhig nach. Weine, wenn du Traurigkeit verspürst, balle die Fäuste, wenn Wut in dir hochkommt.
Dieser Wechsel vom Denken in den Körper bewirkt eine Unterbrechung des Schemas Ich denke bestimmte Gedanken – Gefühle kommen in mir hoch – Ich muss essen.
Essen ist oftmals eine Methode, um unangenehme Gefühle nicht spüren zu müssen.
Mit dem bewussten Atmen unterbrichst du diesen Kreislauf.
Das ist übrigens auch der tiefere Sinn von Ratschlägen wie „Fange bei Heißhunger an zu tanzen oder wild herumzuhüpfen“ oder „Klopfe dich am ganzen Körper ab“: Du gehst vom Verstand in die körperliche Wahrnehmung.
Der Vorteil des Atmens gegenüber diesen Methoden ist jedoch, dass du den Gefühlen nicht aus dem Weg gehst, sondern hinschaust.
Und je geübter du im Hinschauen wirst, desto weniger bedrohlich werden deine Gedanken- und Gefühlsmischungen für dich.
3. Heißhunger vermeiden: Gefühle im Körper spüren
Du atmest und spürst Gefühle hochkommen. Vielleicht sind es Gefühle, die du bereits lange zur Seite geschoben hast.
Und nun rollen sie mit geballter Wucht heran, eine große Welle, die dich umwerfen könnte.
Ein Trick, um Gefühle weniger bedrohlich zu machen, ist, sie genau zu beschreiben.
Hier ein paar Anregungen, wie du deine Gefühle genauer erfassen kannst:
- Wo spürst du das Gefühl im Körper? In der Brust, im Bauchraum, im Hals, in den Armen?
- Bewegt es sich oder ist es unbeweglich?
- Fühlt sich das Gefühl warm oder kalt an?
- Kannst du ihm eine Farbe zuordnen?
- Hat es eine Form? Welche?
- Ist das Gefühl pulsierend, wabernd oder gleichförmig? Klumpenhaft oder ausfransend?
Zugestanden, die Übung erfordert einiges an Fantasie.
Aber je genauer du deine Gefühle beschreiben kannst, umso leichter fällt es dir, sie zu spüren – und das ist eine wichtige Voraussetzung, um Heißhungerattacken ihre Wucht zu nehmen.
4. Heißhunger stoppen: Gefühle aufschreiben
Es sind Gefühle da, aber du kannst sie nicht näher erfassen?
Schnapp dir Zettel und Stift und beginn zu schreiben.
Schreib alles auf, was dir in den Sinn kommt. Wie geht es dir, woran denkst du? Welche Gefühle sind mit den Gedanken verbunden?
Es sind oft kleine, scheinbar unwichtige Anlässe, die zu Heißhungerattacken führen können.
Ich bin vor Reisen aufgeregt. Selbst eine Zugfahrt nach Deutschland macht mich hibbelig. Was ist, wenn ich etwas Wichtiges vergesse? Den Zug verpasse? Zwischen die Schienen falle? Diese Aufgeregtheit habe ich mir lange nicht eingestanden. Schließlich bin ich die erfahrene Welt- und Weitgereiste, an mich kommt nichts ran, pah! Ich war nicht nur aufgeregt, sondern schämte mich gleichzeitig für meine Nervosität. Diese beiden Gefühle zu unterdrücken kostete viel Energie, sodass ich vor Reisen regelmäßig an Heißhungeranfällen litt.
Nimm deswegen auch kleine Gefühle und Bedenken wahr und ernst. Notiere sie auf deinem Zettel und erkunde mithilfe von Übung 2 und 3, wie sie sich anfühlen und auf dich wirken.
Kleine Gefühle können sein:
- Sorge um jemanden oder etwas;
- Angst, etwas falsch zu machen oder nicht gemocht zu werden;
- Wut auf jemanden, der dich (leicht) gekränkt hat;
- Scham, dass du dir bestimmte Vorfälle zu Herzen nimmst;
- Alle Gefühle, die wiederholt auftreten. Wenn du es gewohnt bist, deine Gefühle zu unterdrücken, schiebst du sie mit dem Gedanken „Das kann ich ja jetzt nicht schon wieder fühlen“ zur Seite.
Hast du besonders feine Antennen für die Gefühle anderer Menschen? Dann kann es sein, dass du Emotionen, die nicht deine eigenen sind, aufschnappst und mitfühlst.
Häufig sind das sehr starke Gefühle wie Trauer oder Wut. Ich erlebe es hin und wieder beim Yoga, dass ich Frust und Ärger der anderen Yogi:nis spüre. Auch in der Fußgängerzone kommt es vor, dass ich Gefühle anderer aufschnappe.
Wenn du von deiner Begabung nichts weißt, können dich die fremden Emotionen schnell überfordern und zu einem Heißhungeranfall führen.
5. Welche Gedanken denkst du?
Was denkst du, bevor du Heißhunger bekommst und dich überisst?
Gibt es wiederkehrende Gedanken, von denen die Heißhungeranfälle begleitet werden?
Vielleicht gibt es auch unangenehme Gedanken, die du versuchst, zu unterdrücken. Wie war dein Tag? Ist etwas vorgefallen, das dich beschäftigt oder steht dir eine unangenehme oder aufregende Aufgabe bevor?
In welchem Maße dein Denken dich limitieren kann, zeigen Glaubenssätze.
Glaubenssätze sind Urteile, die du über dich fällst. Und weil die Urteile so allgemein sind, hast du kaum eine Chance, dich mit deinen Handlungen außerhalb des von ihnen gesteckten Rahmens zu bewegen.
Ich brauche jeden Abend Schokolade!
Wenn du das denkst, ist es unwahrscheinlich, dass du am Abend nicht zur Schokolade greifst.
Aber deine Glaubenssätze treffen noch viel grundlegendere Aussagen über dich.
Ich schaffe es wieder nicht!
Hinter diesem Satz steht die Überzeugung: Ich schaffe es grundsätzlich nicht, mich nicht zu überessen. Ich scheitere. Ich bin ein:e Versager:in.
Wie weit kommst du, wenn du so über dich denkst?
Wie kannst du Glaubenssätze ändern?
1. Glaubenssätze bewusst machen
Der erste Schritt ist, dir deine Glaubenssätze bewusst zu machen. Bewusstmachen ist immer der erste Schritt zur Veränderung.
2. Konkrete statt allgemeine Aussagen
Im zweiten Schritt ersetzt du die allgemeinen Aussagen in deinen Glaubenssätzen durch konkrete. Statt „Ich schaffe es wieder nicht“ zu denken, hältst du dich an Fakten: „Manchmal überesse ich mich.“ Oder noch konkreter: „An drei Abenden in der Woche esse ich mehr, als ich möchte.“
Sobald du bemerkst, dass du den ursprünglichen, allgemeinen Glaubenssatz denkst, schaltest du um auf die konkrete Ebene.
Der Sinn dabei: Konkrete Fakten kannst du jederzeit ändern. Allgemeine „Wahrheiten“ über deine Qualitäten als Mensch nicht.
3. Neue, positive Glaubenssätze
Im dritten Schritt überlegst du dir neue, positive Glaubenssätze allgemeiner Art. An die Stelle von „Ich schaffe es wieder nicht“ rückt „Ich schaffe alles, was ich mir vornehme“, „Ich bin ein Gewinnertyp.“
Das klingt überheblich und eingebildet?
Quatsch.
Sei nicht zu bescheiden! Du lebst nur einmal. Das Leben ist zu kurz, um schlecht über dich zu denken.
4. Gute Erfahrungen machen
Der vierte Schritt besteht darin, positive Erfahrungen zu machen und diese mit den neuen Gewinner-Glaubenssätzen zu verknüpfen.
Nach dem Abendessen machst du einen kleinen Spaziergang, statt dich wie sonst auf die Couch fallen zu lassen. Während du dich bewegst, denkst du: „Ich schaffe alles, was ich mir vornehme!“
Kommt eine Stimme in dir hoch und fragt: „Und was ist, wenn ich mich morgen Abend doch wieder überesse?“ Bevor du weiterdenkst und womöglich zu dem Schluss kommst, heimlich doch ein:e Versager:in zu sein, wechsle auf die konkrete Ebene: „Manchmal überesse ich mich.“ Und füge hinzu: „Aber nicht jetzt.“
Voilá, abgehakt. 🙂
Bist du eine emotionale Esserin?
Komme deinem Heißhunger auf die Schliche und verstehe endlich, warum du isst, obwohl du nicht hungrig bist.
6. Heißhungeranfall stoppen: Warten
Die meistgelesenen Tipps zum Thema Heißhunger sind wohl Warten und Belohnen.
Hier stehen sie an letzter Stelle: Nutze sie in Kombination mit der Reflexion deines Fühlens und Denkens, aber nicht vorher, das bringt nichts.
Denn wenn du den Drang zu essen in dir hochsteigen fühlst, wie sehr hilft dir dann der Vorschlag, dir ein Bubbelblasenbad einzulassen oder einfach mal eine halbe Stunde zu warten, bevor du dem Drang nachgibst?
Das klappt viel besser, wenn du erst geatmet, gefühlt und deine Gedanken reflektiert hast.
Dann kannst du dir sagen, „Gut, ich warte jetzt noch etwas ab, wenn ich in 10, 20, 30 Minuten immer noch essen will, okay! Jetzt mache ich erst einmal etwas anderes.“
Damit gibst du dir Zeit, nicht entsprechend deiner ersten Impulse oder auch Gewohnheiten zu handeln, sondern die Achtsamkeitsübungen auf dich wirken – und mögliche Veränderungen zuzulassen.
Warten ist am einfachsten, indem du den Ort wechselst und einfach rausgehst. Dreh eine Runde um den Block oder ums Feld, höre Musik oder einen Podcast, beobachte Leute oder genieße die Natur um dich herum.
Einige Varianten, um mit Warten dem Heißhunger die Spitze zu nehmen:
- Du legst dich 5 Minuten aufs Sofa und machst gar nichts. Anschließend kannst du immer noch essen.
- Schreib auf eine Liste, worauf du Heißhunger hast. Das Prinzip funktioniert wie beim minimalistischen Kauf-Aufschub: Die Dinge auf der Liste sind schneller vergessen, als du dir überteuerte Discounterkekse vom Spätkauf holen kannst.
- Ruf jemanden an. Während du mit deiner Freundin oder Mutter plauderst, hat der Heißhunger genug Zeit, um abzuklingen, sodass es nicht zum Heißhungeranfall kommt.
Warten in Kombination mit Atmen, Fühlen und Reflektieren funktioniert allerdings nur, wenn dein Heißhunger emotionaler und nicht körperlicher Natur ist.
Bei emotionalem Appetit ist es einfach: Wenn Hunger nicht das Problem ist, ist Essen nicht die Lösung.
Bei körperlichem Appetit habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Lust auf ein bestimmtes Lebensmittel (oder Getränk) einige Tage anhält. Bei mir waren das in den letzten Wochen Lust auf Haferkekse und auf sahniges Eis mit Schokoladenüberzug.
In diesem Fall wirst du den Heißhunger am besten los, indem du deinen Gelüsten schlichtweg nachgibst.
7. Belohne dich anders: Nicht mit Essen
„Mach doch einfach was Schönes!“
Diesen Ratschlag liest man oft, wenn es darum geht, Heißhungerattacken zu stoppen.
Das Problem: Wenn du unter Heißhungeranfällen leidest, dann ist das Schönste, dass du dir vorstellen kannst, essen.
Baden, Teetrinken, eine Freundin anrufen – Schall und Rauch gegen ein paar feine Stücke Kuchen, Pecaneis oder Pralinen mit Milchcremefüllung.
Warum ist das so?
- Deine Gedanken kreisen ums Essen. Egal, was du dir anbietest, es bleibt dabei: „Eigentlich will ich doch lieber essen.“
- Essen befriedigt dich mehr als alles andere. Das Loch dessen, was dir fehlt, bekommst du mit einem Vollbad nicht gestopft.
Kurzum: Wenn dich emotionaler Heißhunger packt, wird dich die angenehmste Tätigkeit der Welt nicht vom Essen abhalten können – weil Essen für dich in diesem Fall die angenehmste Tätigkeit der Welt ist.
Es gibt aber Situationen, in denen es eine gute Idee ist, dich anderweitig zu belohnen:
- Du belohnst dich mit Essen.
- Du hast endlich die Steuererklärung gemacht, einen Zahnarzttermin vereinbart oder einen anstrengenden Tag hinter dich gebracht und greifst automatisch zu Essen.
- Du isst aus Gewohnheit.
- Wenn du etwa nach den Mahlzeiten gewohnheitsmäßig zu Süßem greifst, kann sich der Verzicht wie Heißhunger anfühlen.
In diesen Fällen lohnt es sich, den schnöden Tipp auszuprobieren und dich mit etwas Nicht-Essbarem zu belohnen: Tetris spielen, ein Buch lesen, bei Vinted stöbern oder den nächsten Urlaub planen (sofern dir das Freude bereitet).
Ziel ist es, neue Gewohnheiten zu etablieren, die nichts mit Essen zu tun haben.
Damit du das schaffst, schalte den Kopf aus und mach einfach.
Das ist wie laufen gehen, wenn du keine Lust hast: Deinen Schweinehund überwindest du am leichtesten, indem du agierst wie ein Roboter: Sachen anziehen, einen Schritt vor den anderen setzen, Schlüssel einstecken, Tür auf, Tür zu, loslaufen, geschafft!
8. Zusammenfassung: Heißhunger stoppen – 7 Dinge, die du vor dem Heißhungeranfall tun kannst
- Finde heraus, ob du hungrig bist und iss etwas, das dich nährt.
- Begib dich mit bewusstem Atmen in deinen Körper und unterbrich den Kreislauf von unangenehmen (unterdrückten) Gefühlen und Heißhungeranfällen.
- Erspüre deine Gefühle im Körper und beschreibe sie.
- Schreibe deine Emotionen auf. Achte besonders auf kleine und scheinbar nichtige Empfindungen. Oft sind es diese, die Heißhunger auslösen.
- Finde deine heimlichen Überzeugungen über dich heraus. Relativiere diese Glaubenssätze, indem du andere, positive Erfahrungen machst.
- Nimm dem Heißhunger mit Warten die Spitze.
- Etabliere Gewohnheiten und Belohnungen, die nichts mit Essen zu tun haben.