In dieser Folge des Schlanke-Gedanken-Podcasts spreche ich mit Anja Deilmann, Expertin für berufliche Neuorientierung, über die Anzeichen dafür, dass dein Job nicht mehr zu dir passt, und darüber, wie du deine berufliche Situation verbessern kannst.
Anja gibt wertvolle Tipps zur Stressbewältigung und erklärt, wie die persönliche Haltung die berufliche Zufriedenheit beeinflusst. Wir diskutieren auch, wie man herausfindet, welcher Beruf wirklich zu einem passt und wann der richtige Zeitpunkt für einen Neuanfang ist.
Wenn du überlegst, ob du in deinem Job glücklich bist oder eine Veränderung brauchst, ist diese Folge genau das Richtige für dich.
Shownotes:
- Anja Deilmann: Coaching Berufliche Neuorientierung
- Mit Anja arbeiten
Transkript
Marion
Liebe Anja, herzlich willkommen im Schlanke-Gedanken-Podcast. Schön, dass du da bist.
Anja
Danke für die Einladung. Ich freue mich sehr.
Marion
Magst du zum Anfang ein paar Worte über dich sagen? Wer bist du? Was machst du?
Anja
Ja klar, gerne. Ich bin Anja in Köln und arbeite seit 2015 in meiner Praxis Coach für die berufliche Neuorientierung und ich betreue und begleite Menschen dabei, ihren beruflichen Neustart zu meistern. Das ist so die Kernaufgabe und da geht es oft auch Persönlichkeitsentwicklung, oft auch Themen wie Mental Health und manchmal auch Mindset-Geschichten, die einfach flankiert als Themen dazu kommen.
Marion
Woran merke ich, dass meine berufliche Situation nicht gut ist? Das mit meinem Job, was nicht stimmt, dass vielleicht nicht gut zu mir passt? Wie kann ich das rausfinden?
Anja
Ja, das ist oft bei jedem anders, aber man kann einen gemeinsamen Nenner finden, darin, dass die Unzufriedenheit in aller Regel ansteigt, wenn wir schon an einem Sonntagabend oder Sonntagnachmittag schon an den Sonntagabend denken und an den Sonntagabend an den Montagmorgen denken und dann noch vielleicht daran denken, dass von Montag bis Freitag auch noch durchhalten zu müssen und so sich von Wochenende zu Wochenende hangeln. Die Unzufriedenheit steigt latent an. Das ist ein schleichender Prozess. Es ist nie so, dass man von jetzt auf gleich unzufrieden ist, sondern es gibt viele Faktoren, die dazu beitragen und der Mensch ist da auch lange leidensfähig, erst mal zu sondieren zwischen den Themen, die eigentlich angegangen werden müssten und das, was man so denkt, aushalten zu müssen, dass man da einfach für bezahlt wird und dass man einfach auch vielleicht mal einen schlechten Tag hatte oder mal insgesamt die Situation vielleicht nicht gut genug eingeschätzt hat. Und in Wirklichkeit ist die Unzufriedenheit schon so groß, dass manchmal einfach auch schon körperliche Anzeichen kommen.
Marion
Welche könnten das zum Beispiel sein?
Anja
Es gibt schon viele körperliche Anzeichen, die den Menschen wirklich beeinträchtigen. Da brauchen wir noch gar nicht von einem Erschöpfungszustand sprechen oder gar von einem Burnout. Das sind schon die High-End-Level, die man erreichen kann. Viel früher passiert es, dass Unkonzentriertheit dazukommt. Manchmal auch tatsächlich die Situation, dass Menschen wahnsinnig viel essen, weil plötzlich Stress aufkommt und sehr viel essen, sehr viel zu sich nehmen, viel mehr als sie brauchen in ihrem Grundumsatz. Oder was auch häufig passiert, ist, dass sie einfach keine Lust haben, dass die Motivation gesunken ist, dass insgesamt der ganze Antrieb deutlich geringer ist als zu den Zeiten davor, wo man wirklich motivierter zum Job gegangen ist. Und diese Unzufriedenheit und auch die Demotivation sorgt dafür, dass Menschen wirklich körperliche Anzeichen bekommen und man ihnen das auch anmerkt und spürt und sieht. Das kommt lange alles vor einem Erschöpfungszustand und auch lange vor einem Burnout.
Marion
Und wie sehr hängt diese Situation im Job, wenn ich da gerade unzufrieden bin und diese Symptome merke, von mir selbst ab und von meiner eigenen Haltung zu meinem Job? Und inwiefern? Was kann ich eigentlich tun, meine berufliche Situation angenehmer und stressfreier zu gestalten?
Anja
Was von einem selbst abhängt, ist die Haltung. Wir können alle an der Haltung jeden Tag was tun. Natürlich ist mir bewusst, wie schwer das fällt, wenn man immer wieder in dasselbe Hamsterrad einsteigt und immer wieder in dieselbe Mühle kommt und auch in derselbe Mühle tatsächlich im Kreis spazieren fährt. Dann ist es leicht gesagt, dass die Haltung zu verändern das Beste wäre. Trotzdem ist es so: Die Haltung ist ein Riesenanteil an einer Veränderung, an einem Veränderungswunsch. Und das andere, was sicherlich nicht unerheblich ist, ist die Tatsache, dass Menschen sich einfach lange auf einem Leidensweg gerne bewegen. Der lange Leidensweg ist oftmals auch begründet durch Angst oder Unsicherheit oder einfach nicht zu wissen, wohin soll die Reise gehen, keine Ahnung davon zu haben, was man überhaupt verändern kann, wie weit man überhaupt gehen kann mit einer Veränderung, was das überhaupt bedeutet. Und in dem Augenblick, wenn dann tatsächlich so die die äußeren Faktoren, wie zum Beispiel ein Unternehmen hat in aller Regel auch einfach Peakzeiten, wo dann auch viele Überstunden, viel von einem gefordert wird, dazu beitragen, dass der Mensch einfach nicht mehr wirklich vernünftig regeneriert, nicht mehr vernünftig zur Ruhe kommt, geschweige denn dann auch wirklich ruhig und ausgeschlafen wieder zur Arbeit erscheint.
Dann kommt meist dazu, dass wir einfach auch nicht mal mehr davon sprechen können, dass man an der Haltung was tun muss, sondern auch der Arbeitgeber hat Pflichten und man muss auch dafür sorgen, dass das betriebliche Gesundheitsmanagement funktioniert.
Marion
Ja, aber angenommen … Gehen wir noch mal in diese Haltung rein. Das finde ich interessant, weil wie würde das genau aussehen? Also wie sieht eine Haltung aus, die eher Stress erhöht? Und wie sieht eine Haltung aus gegenüber meinem Job, wo ich den Stress so gering wie möglich halte? Also was kann ich da wirklich ganz konkret tun?
Anja
In der Haltung, wenn wir wirklich, ich sage jetzt mal, fremdbestimmt in einem Hamsterrad unterwegs sind und da auch tatsächlich das Gefühl haben, nicht rauszukommen, dann ist es schwer, den Menschen zu vermitteln, selbst an der Haltung zu arbeiten. Aber es geht nur darum und nur darüber, über die Haltung, und zwar proaktiv, weil das Außen verändert sich nicht. Der Arbeitgeber verändert sich nicht, die Situation verändert sich nicht, die Menschen verändern sich Es ist ein ganz wichtiger Anteil, dass wir selbst in die Handlung kommen, dass wir selber aktiv werden, proaktiv die eigenen Themen anzupacken und anzugehen. Es kommt kein Prinz vorbeigeritten, der einem diese Sache abnimmt und dann tatsächlich dafür sorgt, dass wir wieder glücklich und zufrieden zum Job gehen können. Und Haltungsfragen sind meist Fragen, die viel tiefergehender sitzen. Ich meine, das wirst du wahrscheinlich kennen. Mit deiner Arbeit ist es ja vielleicht nicht viel anders, dass auch die Haltung auch bei deiner Arbeit einfach einen ganz großen Anteil macht und am Erfolg macht. Und wir kennen das alle, dass wir uns gerne mal in die Verdrängung bewegen. Da geben wir alle Kraft rein, alle Energie, dass wir Themen durchaus gut verdrängen können oder gar nicht angehen oder vielleicht auch bewusst mit Scheuklappen herumlaufen und gar nicht genau hingucken.
Genau hingucken kostet Zeit, Kraft und Mut. Gar keine Frage.
Marion
Also genau hingucken. Könntest du mal ein konkretes Beispiel nennen? Was sind häufige Themen, mit denen Leute zu dir ins Coaching kommen, wo ihr dann gemeinsam an der Haltung arbeitet und wie ändert sich dann die Situation im Job?
Anja
Ja, das ist wirklich eine supergute Frage und tatsächlich auch eine der häufigsten Fragen ist vom Klienten, wenn sie kommen und sagen, dass sie mit ihrer Überforderung nicht mehr klarkommen, dass Sie Überforderung entweder hausgemacht oder extern fremdbestimmt durch Arbeitgeber, durch viele verschiedene andere Faktoren fremdbestimmt zu einer deutlichen Überforderung führen. Wenn Sie mit dieser Frage kommen, dann gucke ich erst mal: Ist es wirklich eine fremdbestimmte oder selbstbestimmte Überforderung. Manchmal ist es auch selbstbestimmt. Es gibt auch Menschen, die dauerbeschäftigt sind, die immer ackern, die immer rödeln, die immer arbeiten, weil sie denken, sie sind nicht gut genug, weil sie denken, sie müssen perfekt sein, weil sie denken, sie müssen 120% liefern und dann tatsächlich die Regeln dahinter nicht kennen, wie man das aufdröseln kann. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille sind die, die durch Überforderung extern zu mir kommen, wo der Frust so stark angestiegen ist, dass sie einfach nicht mehr können, dass sie wirklich sich nicht mehr mit ihrem Arbeitgeber verbinden können, mit dem nicht mehr einverstanden sind, weil es natürlich häufig auf Unternehmensseite gar nicht so sehr um den Menschen geht. Das denken alle und alle schreiben sich das auch gerne auf die Fahne und in ihre Unternehmenskultur rein, aber in Wirklichkeit wissen wir, dass es hinter dem Vorhang anders aussieht.
Und ja, was mache ich dann? Also im Falle, wenn es wirklich eine selbstbestimmte Haltungsfrage ist, dann schaue ich mir erst mal an, was sind denn tatsächlich die einzelnen Faktoren, die dazu beitragen? Wir entkoppeln also das Thema im Sinne einer Puzzleaufteilung. Wir teilen das Gesamtbild ein in verschiedene Puzzlesteine und schauen uns dann Stein für Stein an oder Thema für Thema an und gucken genau hin: Was ist denn da in dem einzelnen Thema los? Denn wenn dann die Summe aller Teile das Gesamtbild ausmacht und das Gesamtbild Überforderung ist, kann man ganz schwer handeln. Wir kommen nur ins Handeln, wenn wir sie wirklich voneinander entkoppeln und dafür sorgen, dass wir in Teilschritten mit System vorwärtsgehen und dann jedes Ergebnis mitnehmen, jedes Learning mitnehmen und dann in der Endphase, wo es darum geht, dann wirklich die Überforderung aufzulösen, dann auch wirklich ein Gesamtergebnis bekommen, ein Gesamtergebnis mit den Bestandteilen aller einzelnen Themen, die wir da angeschaut haben.
Marion
Ist es nicht oft eine Kombination aus beidem oder sind nicht oft Leute, die dazu neigen, sich zu überfordern oder eben nicht still zu stehen, die irgendwie immer was zu tun haben müssen, nicht nur bei der Arbeit, sondern das setzt sich dann in der Freizeit auch fort und im Haushalt und so weiter, sind diese Menschen nicht manchmal oft gerade von solchen Jobs oder solchen Arbeitgebern angezogen, die das dann auch ausnutzen?
Anja
Ja, die gibt es auch.
Marion
Ja, und dann vermischt sich das beides so.
Anja
Natürlich. Na ja, wir müssen auch immer darüber nachdenken, das Angebot und Nachfrage. Wenn wir als Mensch dem Arbeitgeber etwas anbieten und mehr anbieten, warum sollte er nein sagen? Er hat natürlich eine gewisse Verpflichtung, als Arbeitgeber muss er natürlich darauf achten, dass man niemanden auspowert und bis zum Exzess irgendwie ausnutzt. Aber erstmal ist das doch gern gesehen. Erstmal sammelt jeder damit Punkte. Jeder. Das ist erst mal eine wunderbare Sache. Man wird auch entsprechend gelobt, man bekommt die entsprechende Anerkennung, man bekommt Wertschätzung, was vielleicht mit weniger Aufwand gar nicht käme. Und Menschen neigen dazu, das Lob, die Anerkennung, die Wertschätzung auch wirklich zu genießen in dem Augenblick. Und insofern ist es natürlich schwer zu sagen: „Lass kann mal schön sein, mach das mal nicht. Nur, wir kommen alle irgendwann in ein Alter, in dem tatsächlich die Gesundheit das wichtigste Gut wird. Das ist in einer Zeit, in der wir in Kraft und Saft stehen und voller Power vorneweg laufen, vielleicht eine Zeit lang gar nicht so problematisch, dass die Regeneration nicht funktioniert, dass das Essverhalten nicht vernünftig funktioniert, dass aber auch Ruhezeiten nicht da sind, und Nichtstun halt wirklich Nichtstun ist, dass man dasitzt und nichts tun will und trotzdem grübelt.
All das führt natürlich dazu, dass wir uns immer klar werden müssen, dass die Gesundheit irgendwann das höchste und wertvollste Gut wird. Und das wird mit zunehmendem Alter so. Und im Übrigen, die Menschen werden immer jünger, die zu mir kommen. Als ich anfing in der Praxis, waren die Menschen durchschnittlich so 47, 48, 49, die ausgepowert zu mir kamen. Inzwischen sind sie Anfang 40. Und das nicht selten.
Marion
Ja, ich höre das auch oft von meinen Klientinnen. Die sind teilweise Anfang, Mitte 30 und berichten mir dann von Überstunden und super stressigen Jobs und dass sie die ganze Arbeit machen und so weiter. Und wenn ich das richtig sehe, hat das oft was mit so einem Selbstwertproblem zu tun. Das hast du ja schon angedeutet, dass man sich den Selbstwert eben durch Anerkennung von außen holt und eben nicht so in sich ruht und weiß, okay, ich bin gut, wie ich bin, egal was ich mache, sondern ich muss irgendwas dafür tun. Und dann ist Arbeit natürlich so ein großer Bereich, wo man sich gut ausleben kann.
Anja
Solche Menschen haben es aber oft auch schon von zu Hause aus so gelernt. Leistung wird belohnt mit Anerkennung, früher als Kind vielleicht mit Liebe. Und dann ging das in der Schule vielleicht auch weiter. Ich will jetzt nicht allgemeingültig sagen, dass es immer so ist. Es ist häufig so. Das dass man wirklich sagen kann, es ist schon sehr viel früher, bevor man im Job da landet, schon sehr viel früher im Leben passiert.
Marion
Wie gehst du dann vor, wie machst du deinen Klient:innen das klar? Das hört sich jetzt einfach an, aber wie in diesem Puzzlestück, wie lernen die dann, „Ich muss nicht leisten, gut zu sein? Ich kann auch …?“
Anja
Wir schauen dann genau hin: Wo sind die Gegenspieler? Der Gegenspieler zu „Ich bin nicht gut genug“ ist, „Ich bin sehr wohl gut genug und das, was ich leiste, ist gut genug.“ Das muss man nur erst mal erkennen. Diese Erkenntnis, die wir im Coaching erreichen, ist, dass bestimmte Antreiber – und erst recht, wenn jemand mehrere Antreiber in sich hat – oftmals nur in Anführungsstrichen eine Definitionssache sind. Sie haben häufig hinter dem Antreiber selbst eine Lösung liegen. Die lassen sie aber nicht zutage kommen. Das ist nicht so, dass ich da sitze und Ihnen erkläre, oder ich bin ja auch kein Berater, ich bin Coach. Das heißt, ich sorge dafür, dass die Menschen selbst der Lösung gelangen. Und die Lösung haben sie oftmals, nur sie geben der Lösung keine Priorität. Sie geben der Lösung keine echte, valide Aussage, dass sie danach handeln könnten. Sie denken, sie müssen ihrem Antreiber folgen. Und der Antreiber und Antreiber sind per se im Körper sehr stark. Sie sind unglaublich stark. Wenn die sehr gut ausgeprägt wurden über das ganze das Leben hinweg, dann sind die ganz stark im Körper am Arbeiten und es braucht Kraft, dagegen zu wirken. Und das ist eben das Spannende, dass das im Coaching eben möglich ist, weil der Mensch macht das nicht alleine, sondern es geht im Austausch.
Man ist so als Sparring-Partner einfach eine sehr gute Begleitung an der Seite und kann wirklich helfen, ohne dass jemals irgendwann gesagt wurde: „Schau mal auf Seite 17 im Buch XY und Dann machst du noch diese Aufgabe dazu und dann guckst du dir noch dieses Video dazu an und ist dann die Lösung da.“ Sie kommen in aller Regel selbst auf die Lösung.
Marion
Und die Lösung ist deswegen dann überzeugend, weil sie eigentlich einfach plausibler ist.
Anja
Genau, sie ist plausibler. Sie erkennen dann den Wert der Lösung an. Sie erkennen dann an, was es heißt, fremdbestimmt zu sein. Wenn Sie merken, sie sind fremdbestimmt gesteuert und gehen nicht mehr zur Arbeit mit ihrem Selbstverständnis einer Selbstbestimmung – das fängt schon an mit flexibleren Arbeitszeiten, da geht es schon los – oder mangelnden flexiblen Arbeitszeiten. Wenn Sie das einmal für sich verstanden haben, dem Ganzen einen Wert zu geben, dann kommt Puzzlestein für Puzzlestein in diesen Flow. Und den brauchen wir. Erst dann hat der Mensch eine eine Chance, wirklich für sich zu handeln und handlungsfähig zu werden und auch am Endeffekt eine Entscheidung zu treffen. Die Entscheidung kann man nicht oder man bewirkt sich konzernweit oder Man bleibt auf seinem Leidensweg. Auch das ist möglich. Manche sagen auch: „Alles klar, ich muss jetzt hier nicht gehen. Ich werde super bezahlt, aber ich fahre jetzt einfach mal die Stunden ein bisschen runter und nehme aber trotzdem noch alle an Annehmlichkeiten mit.“ Ob das alles dann immer die bessere Lösung ist, ist eine andere Frage, aber es ist auch eine Möglichkeit.
Marion
Und was würdest du sagen, wie pragmatisch soll man sein in Bezug auf seinen Beruf? Reicht es, dass der Job einfach nur so zum Geldverdienen da ist oder sollte man da wirklich richtig glücklich sein?
Anja
Ich wünsche jedem, wirklich jedem, glücklich und zufrieden im Job arbeiten zu können. Das motiviert, das trägt dazu bei, dass das Selbstbewusstsein steigt, das Selbstvertrauen steigt. Die ganze Haltung wird so viel positiver. Es gibt eine Außenwirkung und insofern kann ich nur jedem wünschen, dass man tatsächlich glücklich im Job arbeitet. Glück ist aber auch eine Formel. Die gibt es ja nicht irgendwo, die können wir nicht kaufen, die können wir nicht irgendwo aus dem Regal holen. Das ist eine Haltung. Wir kommen dem Glück ein ganzes Stück näher, wenn wir uns wirklich mit den Themen beschäftigen. Das ist nichts anderes als eine Toolbox, einen Handwerkskoffer und wir nehmen einzelne Bestandteile aus diesem Handwerkskoffer raus, damit wir das Gesamtbild formen können. Das sind Unterstützungs-. Also wie nennt man das? Ja, ich will jetzt nicht von Werkzeug sprechen, weil das hört sich so nach Baukasten an. Aber ja, im Grunde sind es Werkzeugmittel, damit jemand aus seiner Toolbox mit einer Methode, mit mit einer Übung, mit einem Learning, mit einer Audiodatei, mit einem Video und und und mehr und mehr und mehr das Puzzle für sich selbst wieder neu zusammensetzen kann, sodass es ein neues Bild gibt von der Person, die dann proaktiv gehandelt hat und damit eben auch zu einer anderen Person geworden ist, als die, die sie vorher war, als sie gekommen ist.
Marion
Und wie finde ich jetzt heraus, welche berufliche Tätigkeit wirklich zu mir passt? Und wie schaffe ich das, einen beruflichen Neuanfang dann auch zu machen, wenn ich merke, okay, bisher habe ich vielleicht in der Buchhaltung gearbeitet, aber ich arbeite gar nicht gern mit Zahlen und was mache ich denn jetzt?
Anja
Das ist eine ganz spannende Frage, weil wir über das Stärken-Schwächen-Profil, über die Potenziale anhalten müssen, so viel mehr über den Menschen erfahren. Wir können alles hervorheben, was irgendwo im Körper schlummert. Wir sind alle mit viel mehr Talenten, Interessen, mit Fähigkeiten, Eigenschaften ausgestattet worden. Wir kommen mit so viel mehr auf die Welt, nur durch Prägung und viele Themen, die dann von der Schule bis zur Ausbildung, bis zum Studium unter Umständen und nachher in den ersten Arbeitsstellen. Der Neurowissenschaftler Professor Gerard Hüter hat mal gesagt, dass wir tatsächlich nur noch 22% aller unserer Fähigkeiten, Eigenschaften, Talente und Sonstiges überhaupt noch heute im Alltag zeigen gegenüber dem Anfang, als wir damit auf die Welt gekommen sind und geprägt wurden. Und das ist wirklich ein sicheres Zeichen dafür, dass ganz viel in uns schlummert, dass wir so viele Möglichkeiten haben, nur kaum jemand weiß, was in einem schlummert, wo es liegt, wie wir überhaupt es schaffen, aus einem Job eine Berufung zu machen. Der Job ist in aller Regel etwas, womit man Geld verdient.
Und Geld verdienen ist eine Sache, ja natürlich. Das andere ist das, was uns tatsächlich motiviert und uns weiterbringt, wo wir uns weiterentwickeln können, wo wir auch eine Chance haben, wirklich, wirklich, wirklich das zu tun und mich damit zu verbinden, was ich am liebsten tun möchte und tun darf. Und das ist die Berufung und nicht irgendein Job. Irgendein Job ist ein Job, wo du Geld verdienst. Aber was ist, was einen wirklich glücklich macht?
Marion
Und du versuchst dann, mit deinen Klient:innen herauszufinden, welche Potenziale noch da sind, welche welche Stärken, welche verborgenen Talente einfach, und dann zu gucken, wie man die dann in der Arbeitswelt umsetzen kann. Weil wenn ich jetzt zum Beispiel, in meinem Beispiel zu bleiben, Buchhalterin bin, ich aber eigentlich gar keine Freude an Zahlen habe. Ich bin eigentlich eher ein kreativer Mensch und male zum Beispiel ganz toll. Dann kann ich nicht unbedingt damit Geld verdienen.
Anja
Nein, das ist richtig. Das ist ja auch eine Frage, die dann mehr dahin tendiert: Was sind denn die echten anderen Berufswünsche? Also in Anführungsstrichen, ich möchte dir jetzt nicht zu nahe rücken, du träumst wahrscheinlich jetzt nicht davon, Malerin zu werden. Aber wenn ich jetzt als Buchhalterin in deinem Beispiel zu bleiben, vielleicht denke: „Mensch, mich hat aber auch das Thema Steuern mal interessiert“, oder vielleicht, okay, das ist jetzt auch ein blödes Beispiel, weil es auch mit Zahlen zu tun hat, aber vielleicht eher in die beratende Tätigkeit, wo man sagt, man macht das gar nicht aktiv, wo man wirklich die Zahlen des Kunden irgendwie beackert, sondern man geht eher in die beratende Tätigkeit, wo man eben weit mehr mit Zahlen machen kann, als sie analysieren zu müssen. Wir gehen gar nicht so sehr davon aus, aus einem Apotheker einen Tierpfleger zu machen oder aus einer Kita-Leitung eine Musikschulleitung zu machen oder aus einem Goldschmied plötzlich eine Innenarchitektin zu machen. Diesen Move, den gibt es so nicht. Diesen Wunsch gibt es so auch nicht. Also was es schon gibt, ist, dass Menschen kommen und sagen … Ich habe zum Beispiel eine Chemikerin, die in einem Labor arbeitet und hochkomplexe Chemiezusammenhänge irgendwie … Fragt mich nicht weiter, ich bin jetzt kein Chemiker. Ich kann das jetzt nicht so genau beurteilen. Aber die hat einfach keine Lust mehr auf diese Laborarbeit. Und wir haben jetzt im gesamten Coaching-Prozess erarbeitet, wohin das für sie eigentlich gehen soll. Und sie hat festgestellt im gesamten Coaching-Prozess, dass es wesentlich schöner ist, in einer Unternehmensberatung zu arbeiten, wo das Wissen, das Fachwissen als Chemikerin die Basis ist, wo sie aber in der Unternehmensberatung Chemiekunden beraten kann, weil sie genau weiß, was an der Stelle passiert, was dort im Innen passiert. Und jetzt hat sie sich … Sie hat noch nicht die neue Stelle, aber sie wird sich jetzt dahingehend bewerben. Und ich finde das so klasse, weil wir bauen darauf auf, auf dem, was da ist. Würden wir das jetzt an deinem Beispiel machen? Vielleicht ist es auch eine beratende Tätigkeit. Vielleicht ist es aber auch eine Tätigkeit, wo man, ich sage jetzt mal, in einer Teamleiterposition vielleicht sein kann, wo es auch gut ist, dass man das mal gemacht hat, wo es aber nicht mehr darum geht, eben buchalterische Aufgaben zu übernehmen. Und so gibt es Und ich habe viele, viele Beispiele. Ich habe eine Pflegedienstleitung, die im Augenblick gerade davon träumt, sich selbstständig zu machen und tatsächlich aus der Kombination Yoga und Gesundheitsmanagement selbst mal eine Praxis zu eröffnen.
Sie sieht im Krankenhaus als Pflegedienstleitung die Menschen, die ankommen und wie krank die ankommen. Und sie weiß, dass das Ganze präventiv wesentlich besser gelöst wäre. Und ich finde es so klasse, dass die sich jetzt sogar diesen Weg gedanklich schon mal ermöglicht. Und da habe ich ihr gar nichts von irgendwie gesagt. Das hat sie selbst über ihre Stärken und Schwächen herausgefunden. Als wir die potenziale Analyse gemacht haben, haben wir klare Argumente dafür gefunden. Das sind Fakten. Das sind jetzt nicht irgendwie Hirngespinste, dass man sagt: „Ach ja, heute hast du mal Lust, dies zu machen und morgen hast du mal Lust, das zu machen.“ Das ist ein toller Prozess.
Marion
Das ist ja total spannend. Was würdest du sagen, was sind so die drei vielleicht Gründe oder Themen, mit denen sich Leute herumschlagen, wo du sagen würdest, sie sollten jetzt mal zu dir kommen und sich beraten lassen oder in das Coaching gehen? Was sind vielleicht drei Momente, woran man das merkt, „Okay, das wäre eine gute Idee, ein Coaching in Anspruch zu nehmen?“ Weil ich glaube, viele Leute warten zu lange, oder?
Anja
Ja, ich wünsche mir sehr, dass Menschen früher kämen, weil erst mal in dem Augenblick, wenn der Leidensweg schon sehr, sehr lange war und ich habe jetzt gerade letzte Woche noch mit jemandem gesprochen, der im Grunde sagt, die letzten 20 Jahre waren so. Das war immer mal wieder rauf und runter besser und dann gab es mal Urlaub und dann gab es mal eine gesonderte Überstundenregelung. Das ist nicht permanent gleichbleibend so, aber der sagte, eigentlich geht das jetzt die letzten 20 Jahre so. Und dann denke ich mir: „Oh, Mannometer, das ist ja Lebenszeit. Wir machen so viel Lebenszeit kaputt damit. Und die ist ja unwiederbringlich. Wir kriegen sie nicht zurück. Von daher ist meine Idee, einfach grundsätzlich zu sagen, wenn was richtig, richtig, richtig schiefläuft im Job, also so, dass es entweder eine selbstbestimmte Sache ist, die schiefläuft, wie zum Beispiel das klassische Frauenthema 3K, Kinder, Küche, Karriere. Das ist häufig der selbstbestimmte Anteil, denn natürlich ist ja logisch, die Familie hat einfach einen großen Anteil und da steckt auch viel Fremdbestimmung drin durch, weiß nicht, Kita-Regelungen. Das ist ein ganz anderes Thema. Das ist in Deutschland ja wirklich nicht optimal gelöst.
Aber auch tatsächlich, dass Frauen einfach nur bis zu einer gläsernen Decke kommen, weil sie einfach meist Teilzeit nur arbeiten können und dann a) auch nicht gut genug verdienen und b) schon mal gar nicht der Karriereleiter nach oben steigen können, weil ihnen einfach irgendwann die gläserne Decke an den Kopf stößt. Und das sind alles Sachen, da arbeiten wir noch mal etwas anders dran. Aber was man sonst so tun kann, ist, für den Weg raus aus der Komfortzone braucht es Mut. Und Zukunft wird nur durch Mut gemacht. Das heißt, wenn wir in der Angst hängenbleiben und in diesem Sicherheitsgedanken hängenbleiben, passiert nichts. Das ist einfach eine Handbremse. Und mit angezogener Handbremse können wir nicht fahren. Wir kommen keinen Millimeter weiter. Wir müssen dafür sorgen, dass wir aktiv selbst unsere Situation in die Hand nehmen. Selbst dafür sorgen, früher anzukommen, früher eine Veränderung einzuläuten. Erst dann haben wir auch die bestmöglichen Chancen, noch den Körper mitzunehmen. Denn wenn es erst mal tatsächlich lange, lange, lange, lange, lange ein Leidensweg war, brauche ich am Anfang erst mal Zeit, den Menschen überhaupt mal wieder zu stabilisieren, sie oder ihn einfach in eine Lage zu versetzen, von der sie überhaupt mal wieder positiv aus denken können.
Das ist oftmals echt nicht so einfach.
Marion
Woher weiß ich jetzt, wenn ich jetzt merke, das ist echt nicht der richtige Job, die äußeren Bedingungen sind nicht gut? Wann ist der richtige Zeitpunkt, zu kündigen? Und gibt es überhaupt so einen richtigen Zeitpunkt?
Anja
Ja, das ist so ein Blick in die Glaskugel. Ich tendiere zunächst mal dazu, keine Schnellschüsse zu machen. Ich versuche jedem so viel Zuversicht zu geben, dass für den Augenblick, wo wir anfangen zu arbeiten, eine Kündigung gar nicht unsere erste Wahl sein kann. Der richtige Zeitpunkt für eine Kündigung ist der, wenn wir den Prozess abgeschlossen haben. Dann kann man eigenverantwortlich für sich das Risiko auch übernehmen, zu gucken: Schaffe ich es jetzt tatsächlich den richtigen Zeitpunkt zu nutzen, entweder in drei Monaten, sechs Monaten zu kündigen? Wir können gar nicht zu Beginn von Anfang an sagen: „Das ist der richtige Zeitpunkt.“ Es ist auf jeden Fall nicht der richtige Zeitpunkt, während wir arbeiten. Also ich versuche jedem klarzumachen: „Bitte nicht während der Coaching-Zeit kündigen, weil dann ist der Fokus woanders. Und die Energie geht nur dahin, wo der Fokus ist. Und wir brauchen die Energie. Menschen kommen bei mir an, weil sie keine Energie mehr haben. Die ist ihnen ausgesaugt worden. Sie geben weit mehr Energie rein, als sie rausholen. Das heißt, wir können nicht noch zusätzlich eine Baustelle Baustelle aufmachen, wo sie auch noch Energie verlieren. Das geht gar nicht. Das ist so kontraproduktiv. Und der wichtige Zeitpunkt ist wirklich der, zu kündigen, wenn man weiß, man hat wirklich alles abgecheckt, alle Puzzlesteine genau angeschaut, zu sagen: Jetzt kann ich eigenverantwortlich für mich eine Entscheidung treffen, die auch Risiko heißen kann.“
Denn wir haben für nichts im Leben eine Garantie. Ich werde auch immer gefragt: „Was mache ich denn, wenn ich vom Regen in die Traufe komme?“ Ja, theoretisch ist das möglich, aber man kann auch vom Regen in den Sonnenschein kommen. Die Sorge, dass es schiefgehen kann, ist durchaus ein Teil der Wahrheit, aber der viel größere Anteil der Wahrheit ist, dass wir durchaus wissen, was wir entscheiden und mit welchem Risiko wir etwas entscheiden, weil wir einfach fundiert die Arbeit dazu gemacht haben, unsere Hausaufgaben gemacht haben.
Marion
Ja, das macht absolut Sinn. Und ja, dieses Garantie-haben-wollen, das ist vielleicht auch so ein deutsches Phänomen, ich weiß es nicht, aber ich glaube, es hilft immer mit ein bisschen mehr Optimismus an die Sache ranzugehen und sich nicht zu überlegen, was „Was ist, wenn es schiefgeht?“, sondern „Was wäre dann auch der Best Case?“ Viele Leute schauen immer so auf den Worst Case, aber vergessen dann den Best Case. Und selbst wenn es nicht unbedingt hundertprozentig wird, dann ist man ja trotzdem weitergekommen und war mutig und hat sich getraut, hat sich gearbeitet, hat was verändert und dann ist man schon eigentlich auf einer besseren Stufe, als man vorher war.
Liebe Anja, das war ein total spannende Gespräch, vielen Dank für deine Ausführungen. Wie können dich die Leute finden, wenn sie mehr über dich erfahren wollen, mit dir zusammenarbeiten wollen?
Anja
Ja, gerne. Sie können gerne im Internet schauen unter https://anja-deilmann.coach/. Da können viele Informationen schon auf der Website gefunden werden. Wir können ein Strategiegespräch führen, wir können telefonieren und können uns dann kennenlernen und einfach mal gemeinsam überlegen, welche Reise jeder so machen möchte und wohin es so gehen soll für jeden. Und dann begleite ich sehr gerne auch deine Hörer und Hörerinnen. Vielen Dank für die Einladung. Das war echt cool.
Marion
Ja, sehr gern. Ich verlinke alles noch mal in den Shownotes und danke dir, Anja.
Anja
Sehr gerne.
Marion
Mach’s gut. Tschüss.
Anja
Tschüss.
Willst du Heißhunger, Essdrang und Fressattacken loswerden und die Kontrolle über dein Essverhalten zurückgewinnen?