Wie geht das, normal essen?
Selbstannahme, Gefühle zulassen, meditieren – alles gut und schön, aber was bleibt, ist die täglich mehrfach wiederkehrende Frage: Was essen?
In diesem Artikel erfährst du, wie du lernen kannst, entspannt zu essen und dein Essverhalten zu normalisieren.
Höre diesen Beitrag als Folge 71 des Schlanke-Gedanken-Podcasts:
Wenn du das hier liest, bist du es wahrscheinlich leid, Diäten zu machen und dein Essverhalten Regeln von außen zu unterwerfen. Du hast keine Lust mehr auf fettreduzierten Joghurt und Salat und möchtest endlich das essen, was dir schmeckt. Du willst dir nicht mehr so viel Druck machen und dein Essverhalten normalisieren.
Dabei stehst du aber vor folgendem Dilemma:
Auf der einen Seite beginnst du, dich mit Gefühlen, Gedanken und Situationen auseinanderzusetzen, die Essverlangen in dir hervorrufen.
Andererseits ist das ein Prozess, es gibt gerade in den ersten Wochen oder Monaten immer noch viele Gefühle, Gedanken und Situationen, auf die du mit Essen reagierst.
Eine Grundvorraussetzung für entspanntes Essen ist, alle Zwangs- und Kontrollmaßnahmen aufzugeben und dir erlauben zu essen.
Wie schaffst du es nun, dich auf deinem Weg zum normalen Essen nicht nur von Schokolade, Kuchen und Chips zu ernähren?
1. Was ist „normal“ essen?
Normal ist ein großes und auch ziemlich bescheuertes Wort.
Bescheuert, weil es dazu verwendet wird, andere und ihr Verhalten zu normieren:
Das ist doch nicht normal!
Warum kannst du nicht einfach normal sein, so wie alle anderen auch?
Normal essen heißt nicht, so zu essen wie der Durchschnittsdeutsche. Das wäre nicht empfehlenswert.
Ich meine mit normal, dass es sich für dich normal anfühlt.
Derjenige, der sich jeden Tag eine Tiefkühlpizza aufbackt und am Wochenende unbeschwert zu Mäckes geht, isst in diesem Sinne normaler als jemand, der sich erlaubt, ausschließlich Suppe und Salat zu essen.
Kurzum: DU bestimmst, was normal essen für dich bedeutet.
Bevor ich dir von meinen Erfahrungen zur Normalisierung meines Essverhaltens erzähle, mach dir ein paar Notizen: Was ist für dich normal essen? Wie verläuft ein Tag, an dem du normal isst? Was nimmst du zu dir? Wie fühlst du dich?
Als ich gerade zum zweiten Mal meine Essstörung überwunden hatte, wusste ich nicht, welche Art von Nahrung ich zu mir nehmen sollte. Bislang hatte ich mich von Hühnchen, Magerquark, Beeren und Gemüse ernährt - und jetzt? Ich wollte alle Lebensmittel in meinen Speiseplan integrieren und lernen, normale Portionen zu essen und stieß auf die Portionsgrößen-Pyramide. Aus dieser Tabelle leitete ich die für mich richtigen Portionsgrößen ab und entwickelte einen peniblen Essensplan, auf dem ich die Uhrzeiten für Frühstück, Mittag- und Abendessen sowie Zwischenmahlzeiten notierte. Anhand der Portionsgrößen kreierte ich eine Reihe ausgewogener Gerichte. Süßigkeiten und Fast Food baute ich bewusst in den Plan ein.
Was meinst du, wie bin ich mit dem Plan zurechtgekommen? Habe ich gelernt, normal zu essen? Habe ich zu- oder abgenommen?
Ich verrate es dir: Ich war ständig am Essen, dachte ständig ans Essen und nahm in wenigen Monaten sichtbar mehrere Kilogramm zu.


Trotz der Portionsgrößen. Trotz der gesunden Lebensmittel. Trotz der Mäßigung.
Wie konnte das sein?
Damals verstand ich es nicht und wollte es auch nicht wahrhaben.
Heute kann ich drei Hauptgründe für das Scheitern meines Ernährungsplans identifizieren:
- Ich hörte auf einen Plan, nicht auf meinen Körper. Der Plan bestimmte über Hunger und Sättigung sowie die Auswahl der Lebensmittel.
- Ich war nie hungrig. Die Pausen zwischen den Mahlzeiten waren zu kurz.
- Ich aß jeden Tag nach demselben Schema. Wie viel Nahrung der Körper braucht, ändert sich aber von Tag zu Tag, abhängig von Aktivität und Bewegung, Zyklus, Jahreszeit usw.



Es vergingen drei Jahre, bis ich zu einer Ernährungsweise fand, die mich nährt, zufrieden macht und zu meinem Leben passt.
Normal essen sieht bei mir heute so aus:
- Ich esse an 3 von 5 Tagen morgens wenig Kohlenhydrate, weil ich davon müde und hungrig werde.
- Ich versuche, in zwei von drei Mahlzeiten (grünes) Gemüse und Hülsenfrüchte einzubauen. Das klappt mal besser und mal schlechter.
- Manchmal lasse ich Frühstück und Mittagessen ausfallen und snacke mich durch den Tag.
- An einigen Tagen esse ich ständig Schokolade. Und damit meine ich nicht nur zwei Stückchen.
- Ich ernähre mich rein pflanzlich. Tierische Lebensmittel schmecken mir nicht (mehr).
- Ich esse auch abends (zwischen 20 und 22 Uhr) noch etwas, wenn ich hungrig bin.
- Wenn ich unterwegs bin, esse ich das, was da ist. Ich achte dann besonders darauf, Proteine nicht zu vernachlässigen.
- Ich esse Süßigkeiten, Kuchen, Gebäck, Kekse, Chips und Pommes, wenn ich Lust darauf habe. Im Schnitt zweimal in der Woche, würde ich sagen. 🙂
Wenn du das mit meinem unseligen Portionsgrößen-Ernährungsplan vergleichst, wird deutlich, in wie vielen Punkten dieser meiner „natürlichen“, „normalen“ Ernährungsweise zuwiderlief.
Warum erzähle ich dir das alles?
Auf dem Weg zu einem normalen Essverhalten bist du dein Kompass.
Vergiss, was dir andere über intermittierendes Fasten und die richtige Zusammenstellung von Mahlzeiten erzählen.
2. Normal essen: Vier Schritte
Wie findest du nun heraus, was normal essen für dich bedeutet?
Diese vier Schritte helfen dir dabei, dein Essverhalten zu normalisieren und deine persönliche Wohlfühlernährung zu finden.
2.1. Was möchtest du essen?
Schokolade zum Frühstück und Keksteig zum Mittagessen? Oder doch Paprika-Kichererbsen-Ragout mit Süßkartoffelpüree?
Um normal essen zu lernen ist wichtig, dass dir schmeckt, was du isst. Zufriedenheit ist neben Hunger und Sättigung ein zentrales Element beim entspannten Essen.

Du stellst dir diese Frage, und dein Verstand antwortet immer wieder, „Schokolade!“?
Nimm diese Antwort zur Kenntnis, bedanke dich bei deinem Verstand für die Information und frage weiter: Was schmeckt dir? Worauf hast du Appetit?
Stehst du noch ganz am Anfang der Normalisierung deines Essverhaltens, überlege, was du als Kind gern gegessen hast.
Ich habe damals in meinen Essplan bewusst Lieblingsgerichte aus meiner Kindheit eingebaut: Mit Käse überbackene Nudeln, Schweinskotlett, Rahmspinat, Königsberger Klopse und Pommes Mayo. Schnell stellte ich fest, dass sich mein Geschmack geändert hat und ich mittlerweile frischere und weniger fleischlastige und fettige Gerichte bevorzugte.
Gib dir die Erlaubnis, alles auszuprobieren. Im Zweifelsfall auch Süßes als Hauptmahlzeit. Achte darauf, wie du dich nach dem Essen fühlst. Einmal habe ich eine ganze Tafel weiße Knusperschokolade zum Frühstück verputzt – danach war mir leicht übel und ich hatte den ganzen Tag Lust auf Kuchen, Kekse und schokolierte Nüsse. Ich habe das Experiment nicht wiederholt.
Was wir essen möchten, hat oft mit dem Wetter oder mit den Jahreszeiten zu tun.
Während es nach einem langen Spaziergang in der Winterkälte nichts Schöneres gibt als eine heiße Suppe, ist das bei 30 Grad im Schatten ist nicht gerade der Hit.
Essensvorlieben sind aber vor allem sehr individuell. Ich habe schon oft davon gehört, dass vielen Menschen Salat nicht guttut, sie können ihn nicht verdauen und bekommen Magendrücken. Dennoch essen sie jahrelang täglich Salat, weil er gesund ist und wenig Kalorien hat.
Doch egal, wie gesund ein Lebensmittel angeblich ist:
Wenn du von etwas Magendrücken bekommst, ist es für dich nicht gesund.
Um herauszufinden, was du essen möchtest, helfen dir diese Fragen:
- Konsistenz: weich, cremig oder knackig, knusprig
- Temperatur: kalt, kühl, warm oder heiß
- Zubereitung: frisch und roh oder gekocht
- Geschmack: süß oder herzhaft, scharf, salzig, sauer, würzig oder mild
- Makronährstoffe: fettig, eiweißreich oder kohlenhydratlastig
- Energiedichte: leicht oder schwer, stark oder weniger sättigend
Mach das nur eine kurze Zeit und steigere dich nicht hinein.
Du isst jeden Tag mehrmals, wenn einmal etwas dabei ist, das nicht ideal ist, ist es auch egal.
Wenn du dazu neigst, hier überzuinterpretieren, kann es sein, dass sich dahinter nicht zugelassene Gefühle verstecken.
Das ist dann nicht emotionales Essen, sondern emotionales Planen von Essen.
Im Idealfall stellst du dir diese Fragen, bevor du zu hungrig wirst. Was das bedeutet, ist für jeden verschieden. Bei mir ist zu hungrig ein Raubtier-Gefühl: Ich würde mich am liebsten auf alles Essbare stürzen und es in mich hineinstopfen, egal, um was es sich handelt. Da esse ich lieber etwas früher und besonnen Dinge, die ich wirklich mag und die mir guttun.
Denk darüber nach, was du essen möchtest, wenn du dich zuhause befindest. Ein Supermarkt ist kein guter Ort für Reflexionen über Appetit und Gelüste. Dort werden nur deine Sinne gereizt und dein Gehirn spielt dir vor, dass du alles, was du dort siehst, immer schon gewollt hast.
Tricks, um gesund und ausgewogen zu essen
Diese Tipps sind nicht nur gut für deine Gesundheit, sondern auch für dein Gewicht, denn du möchtest wahrscheinlich nicht zunehmen.
- Keine Süßigkeiten zuhause lagern. Das hat nichts mit Schwäche zu tun. Selbst sehr disziplinierte Menschen machen es sich leicht und kaufen Schlickerkram erst dann, wenn sie wirklich Lust darauf haben.
- Habe immer einen gesunden Snack zur Hand. Für den schnellen Hunger sind eine Scheibe Vollkornbrot mit leckerem Belag, eine Banane mit Nussmus, Joghurt mit Obst oder Rohkost mit Nüssen toll.
- Koche vor. Ich habe immer mehrere Portionen zubereitetes Gemüse und gegartes Vollkorngetreide im Haus. So muss ich nicht lange überlegen, was ich essen möchte, sondern mache es mir einfach warm.
- Friere Essen ein. Im Tiefkühlfach habe ich immer Vollkornbrot und selbstgekochte Hülsenfrüchte vorrätig.
- Habe ich mal nicht vorgekocht, nehme ich einfach zwei Handvoll Kichererbsen oder Bohnen, wärme sie kurz auf, gebe etwas Chicorée oder Ruccola dazu, Leinöl und Nüsse darüber, und fertig ist ein leckeres, nahrhaftes und superschnelles Mittagessen.
Was taugt der Möhrentrick?
Hinter dem Möhrentrick versteckt sich der Ratschlag: „Ob du wirklich hungrig bist, erkennst du daran, dass du auch eine Möhre essen würdest.“
Ich muss schon sehr, sehr hungrig sein, um eine Möhre zu akzeptieren, wenn ich eigentlich Lust auf Nudeln habe. Der Trick hilft deshalb nur bedingt.
Er ist allerdings durchaus nützlich, wenn du bereits so hungrig bist, dass du einfach alles essen würdest. Suppe, Nudeln, Salat, Kuchen – ganz egal, Hauptsache essen.
In diesem Fall ist es vernünftig, das „Gesunde“ zu essen, denn du bist so hungrig, dass dich vermutlich alles zufriedenstellt.
2.2. Wie viel möchtest du essen?
Wenn du dir normale Portionen abgewöhnt hast*, rate ich dir, erst einmal ganz stumpfsinnig einen durchschnittlich großen Teller mit einem Durchmesser von 24 Zentimetern zu verwenden. Fülle ihn mit Essen, iss alles auf, warte eine Weile und beobachte, wie es dir geht.
So lernst du Schritt für Schritt dein Sättigungsgefühl besser kennen und kannst mit der Zeit einschätzen, wie viel dein Körper braucht.
*Etwa durch sogenanntes Volumenessen: Du nimmst große Mengen an Salat und Gemüse zu dir, um deinen Magen zu füllen, wirst aber nie richtig satt, weil Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Eiweiße, Fette) fehlen.
2.3. Wie häufig möchtest du essen?
Ist dein Essverhalten sehr durcheinander, beginne in den ersten vier Wochen mit drei Mahlzeiten am Tag. Hast du zwischendurch Hunger, iss etwas Obst, Joghurt oder eine Handvoll Nüsse.
Hast du dich an dieses Schema gewöhnt, kannst du beginnen, zu variieren und schauen, was dir guttut und zu deinem Alltag passt.
Vielleicht sind das zwei große Mahlzeiten am Tag oder vier kleine.
Esspausen sind wichtig für deinen Körper, um nicht ständig mit der Verdauung beschäftigt zu sein. Experimentiere mit kurzen oder längeren Fastenperioden:
- Nimm drei Hauptmahlzeiten zu dir und iss zwischendurch nichts.
- Iss direkt nach dem Aufstehen erst einmal nichts und trinke nur Kaffee oder Tee. Wie geht es dir damit?
- Vielleicht ist es für dich auch leichter, abends nichts mehr zu essen.
2.4. Und was ist mit Spaßessen?
Nicht nur für Kinder ist die Einteilung in nährendes Essen und Spaßessen sinnvoll.
Zu Spaßessen gehört alles, was zwar lecker schmeckt, aber wenig Nährstoffe und Vitamine enthält.
Achte darauf, wie du dich fühlst, nachdem du Schokolade, Chips oder Weißbrot gegessen hast. Zufrieden und gesättigt? Oder hast du sofort wieder Hunger?
Diese Frage ist nicht allgemein zu beantworten. Manchmal ist ein helles Toast mit Marmelade genau das Richtige, an anderen Tagen greifst du besser zum Vollkornbrot mit Hummus und Tomate.
Um normal essen zu lernen, ist es wichtig, die Lust auf Spaßessen nicht zu pathologisieren. Alle Menschen essen gern Süßes und Fettig-Salziges.
Aber du bestimmst, wann und wie viel du davon isst.
Findest du, es wird zu viel, dann übe dich in Akzeptanz: Höre deine Lust auf Süßes und die drängenden Gedanken, akzeptiere sie und entscheide dann, was du essen möchtest und was nicht.
Was bedeutet „normal essen“ für dich? Wo liegen deine größten Herausforderungen bei der Normalisierung deines Essverhaltens? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
Bist du eine emotionale Esserin?
Komme deinem Heißhunger auf die Schliche und verstehe endlich, warum du isst, obwohl du nicht hungrig bist.