Der Kampf ist dein Feind, nicht das Essen. (Backfire und Reaktanz erklärt 🤓)

Du nimmst dir vor, nur drei Mahlzeiten am Tag zu essen. Oder keine Snacks. Oder keine Süßigkeiten in der Fastenzeit. Oder nach 18 Uhr nichts mehr zu essen. Oder weniger Kohlenhydrate. Oder mehr Gemüse. Oder…

Doch egal welche Essregeln du dir auferlegst – nach einer Weile, meist nach wenigen Tagen oder Wochen, brichst du sie. Und isst mehr als vorher.

Und fragst dich: Warum schaffe ich es nicht, meine Vorsätze einzuhalten? Bin ich zu undiszipliniert? Fehlt mir die Willenskraft?

Nein! Das Problem liegt nicht bei dir oder deiner vermeintlich mangelnden Disziplin. Das Problem liegt tiefer – in den Glaubenssätzen und Überzeugungen über dich selbst, die dich überhaupt erst dazu bringen, dir Regeln für dein Essverhalten zu überlegen.

In diesem Beitrag erfährst du, warum deine negativen Glaubenssätze zu einem Teufelskreis aus Regeln, Reaktanz und Essanfällen führen, und was du tun kannst, um diesem Kreislauf zu entkommen.

1. Die psychologischen Mechanismen hinter Essattacken: Reaktanz und Backfire-Effekt

Kennst du die Geschichte, wie Friedrich der Große die Kartoffel in Preußen einführte? Die Bauern weigerten sich anfangs, das fremde Gewächs anzubauen. Daraufhin ließ der König die Pflanze demonstrativ auf königlichen Feldern anbauen und von Soldaten bewachen. Die Untertanen wurden so neugierig, dass sie die Knollen von den königlichen Äckern stahlen und in ihren eigenen Gärten anpflanzten.

Was Friedrich der Große hier ausnutzte, nennt man in der Psychologie Reaktanz – den Widerstand gegen wahrgenommene Einschränkungen der eigenen Freiheit. Wenn dir (oder du dir selbst!) etwas vorschreibst, entsteht ein innerer Widerstand.

„Ja, aber wenn ich meine Freiheit nicht einschränke, eskaliere ich ständig beim Essen“, denkst du vielleicht.

Das ist genau die Reaktanz-Falle. Denn die Folge dieser psychologischen Reaktion ist der sogenannte Backfire-Effekt: Eine Handlung bewirkt das Gegenteil von dem, was beabsichtigt war. Du willst weniger essen – und isst mehr.

2. Warum mehr Kontrolle zu mehr Kontrollverlust führt

Der Teufelskreis funktioniert so:

1. Du denkst etwas Negatives über dich („Ich bin gierig und kriege nie genug“)
2. Du willst vermeiden, so zu sein („Ich will beherrscht und kontrolliert sein“)
3. Du passt dein Verhalten an (Regeln: 3 Mahlzeiten am Tag, keine Snacks)
4. Dein Unbewusstes glaubt aber weiterhin dem, was du ursprünglich über dich denkst
5. Du brichst die Regeln (egal, welche es sind)

Der Teufelskreis der Reaktanz

Das Problem beginnt also bei den Regeln selbst. Sie machen dich unentspannt und sorgen für inneren Widerstand. Und je mehr negative Erfahrungen du mit Diäten und Einschränkungen gemacht hast oder je stressiger dein Leben gerade ist, desto stärker wird dieser unbewusste Widerstand.

3. Deine Glaubenssätze über dich selbst – und warum sie dir schaden

Schauen wir uns an, worauf deine Essregeln überhaupt basieren. Es sind meist negative Überzeugungen über dich selbst:

• „Ich bin gierig, ich bekomme nie genug“
• „Ich esse zu gern bzw. lieber als andere Menschen“
• „Wenn ich mir erlauben würde, immer und alles zu essen, würde ich immer und alles essen“
• „Mein Körper verwertet Nahrung besonders gut = braucht nicht so viel“
• „Ich nutze Essen als Kompensation für ALLES“
• „Ich merke nicht, wenn ich müde bin – statt eines Müdigkeitssignals bekomme ich ein Essen!-Signal“
• „Ich habe einen höheren Körperfettanteil, darum brauche ich weniger Kohlenhydrate“
• „Ich bin eine emotionale Esserin“

Diese Überzeugungen werden zu selbsterfüllenden Prophezeiungen. Sie führen genau zu dem, was du eigentlich vermeiden willst.

4. Typische Essregeln (und wie sie dich in der Spirale gefangenhalten)

Aus diesen negativen Selbstbildern leitest du dann Verhaltensregeln ab:

• „Ich brauche Regeln und Grenzen, um das gierige Monster, das ich bin, im Zaum zu halten“
• Nicht snacken
• Drei Mahlzeiten pro Tag
• Viel Eiweiß essen
• Viel Gemüse essen
• „Gesund und ausgewogen“ essen
• Esspausen einhalten
• Gemäßigte Portionen essen
• Erst hinlegen, wenn du Hunger spürst
• Erst Wasser trinken
• Erst Gedanken aufschreiben
• Erst Gefühle aufschreiben
• „Ich muss herausfinden, warum ich esse, welche Gefühle ich vermeide, damit ich weniger essen kann“

Du versuchst, aus diesen Gedanken herauszukommen, indem du:

1. Deine Gedanken beobachtest, hinterfragst und durch andere ersetzt, oder
2. Versuchst, gar nichts zu denken

Aber das bringt dich nicht aus der Spirale heraus, denn:

• Entweder kannst du dich nicht vom Gegenteil überzeugen und denkst weiterhin, dass du gierig bist
• Oder du überzeugst dich kurzzeitig vom Gegenteil („ich bin wie alle anderen“), aber sobald du etwas tust, das mit dem ursprünglichen Gedanken übereinstimmt (du snackst, isst über deinen Hunger hinaus, isst Schokolade nach dem Frühstück…), fällst du wieder in die alten Denkmuster zurück

So kommst du aus dieser Schleife nicht heraus.

5. Wege aus der Regel-Reaktanz-Spirale

Die Lösung liegt nicht in noch mehr Regeln oder noch strengerer Kontrolle. Die Idee des intuitiven Essens basiert genau auf dem Reaktanz-Prinzip: Wenn ich alles darf und nichts mehr verboten ist, esse ich automatisch weniger.

Aber auch das kann zu einer Regel werden: „Ich MUSS intuitiv essen und meinem Körper vertrauen“. Und schon sitzt du wieder in der Kontroll-Falle.

6. Was du wirklich brauchst (statt noch mehr Regeln)

Was du eigentlich willst (und wovon du weißt, dass es die Lösung ist):

• Kontrolle abgeben, vertrauen
• Einen Zustand der völligen Ruhe und des Vertrauens erreichen
• Begreifen, dass das Thema Essen nicht etwas ist, das du „in den Griff bekommen musst“
• Ohne dir ständig Gedanken darüber zu machen

Die Folge wäre:

• Mehr Gelassenheit und Freiheit
• Weniger Druck
• Weniger Grund, zu essen

Und als netter Nebeneffekt: Du würdest weniger essen und abnehmen.

Das Problem ist: Du weißt das. Aber du kannst es nicht umsetzen. Wem sollst du die Kontrolle abgeben? Wem sollst du vertrauen?

In der nächsten Folge erfährst du, wie du tatsächlich aus diesem Teufelskreis ausbrechen kannst, ohne einfach nur eine neue Regel aufzustellen, die wieder zum Backlash führt. Bleib dran!

Fazit: Wie negative Glaubenssätze zu Überessen führen

Der Kampf ist dein Feind, nicht das Essen. Je mehr du gegen dich selbst und gegen dein Essverhalten kämpfst, desto mehr wirst du essen. Dieser Kampf manifestiert sich in Regeln und Verboten, die du dir selbst auferlegst. Diese Regeln basieren auf negativen Überzeugungen über dich selbst.

Der erste Schritt aus diesem Teufelskreis ist zu erkennen, dass nicht dein Essverhalten das Problem ist, sondern deine Einstellung dazu. Nicht du bist defekt und musst „repariert“ werden – es sind die Regeln selbst, die zu Heißhunger, emotionalem Essen und Fressattacken führen.

Willst du Heißhunger, Essdrang und Fressattacken loswerden und die Kontrolle über dein Essverhalten zurückgewinnen?