„Völlerei“ klingt nach Mittelalter, Schuld und kirchlicher Strenge. Aber was, wenn dieses Wort genau dein Problem trifft – ehrlicher als „emotionales Essen“ oder „Heißhunger“?
In dieser Folge erfährst du, was die Bibel und die christliche Tradition wirklich über Völlerei sagen.
Ohne erhobenen Zeigefinger, sondern eine ehrliche, tiefere Sicht auf das, was passiert, wenn Essen mehr wird als nur Sättigung.
Was verlierst du, wenn du dein Verhalten nur neutral und psychologisch betrachten willst?
Und was gewinnst du, wenn du dich traust, von Sünde, Maßlosigkeit und geistlicher Leere zu sprechen?
Das hier ist der Auftakt einer dreiteiligen Serie über Völlerei – und vielleicht auch ein neuer Blick auf dein Essverhalten.
Alle Teile der dreiteiligen Reihe:
- Völlerei: Ein altes Wort für ein sehr modernes Problem
- Wenn Essen zum Götzen wird – Die tiefe Wahrheit hinter Völlerei
- Mit Völlerei brechen – geistliche Nachfolge statt Essdrang, Disziplin und Kontrolle
Anlass: No-S-Diät, Völlerei und ein alter Begriff mit neuer Tiefe
In letzter Zeit habe mich mal wieder mit der No-S-Diät beschäftigt. Ich halte diese „Diät“, die eigentlich keine ist, sondern vielmehr eine Ernährungsumstellung, für eine sehr gute Antwort auf die Fragen: Wie soll ich essen? Wie kann ich dabei abnehmen? Wie schaffe ich es dabei, nicht komisch zu werden?
Und der Autor, Reinhard Engels, verwendet im Kapitel über Snacks immer wieder das Wort gluttony, Völlerei.
Und da fiel mir auf – das ist ja ein christliches Konzept! Ich dachte sogleich an die sieben Todsünden und begann zu recherchieren.
Was mich an dem Thema Völlerei interessiert:
- die Bibel (und die christliche Tradition) ist weise und antwortet auf viele allgemein-menschliche Probleme, die wir immer noch haben
- sie antwortet oft umfassender, differenzierter und klüger als das, was du heutzutage auf Instagram (oder wenn du was googlest) als Antwort bekommst
- allgemein interessiert mich der christliche Blick auf Völlerei = Überessen: was ist das, woher kommt das, wie kann ich damit aufhören?
- Völlerei ist ein moralisch gefärbter Begriff – das haben wir heutzutage nicht so gern, dass jemand (oder ein Wort) über das, was wir tun, urteilt. Dabei wissen wir selbst ganz genau, dass das, was wir tun (überessen, dem Essdrang nachgeben, Binge Eating, oder eben – sich der Völlerei hingeben), schlecht ist, schlecht vielleicht in einem tieferen Sinn als einfach nur ein unangenehmes Gefühl im Bauch zu haben oder träge zu sein nach zu viel Essen
- anders gesagt: heute dominiert oft ein wertneutraler, psychologischer Blick, Verhalten soll verstanden, nicht bewertet werden. Allgemein-moralische Maßstäbe gelten schnell als bevormundend oder veraltet.
Aber was verlieren wir dadurch?
Meine Vermutung: Nicht nur die treffende (und ganzheitliche) Analyse, sondern auch die Heilung.
Völlerei: Warum nicht einfach „emotionales Essen“ oder „Überessen“ sagen?
Das Wort „Völlerei“…
- klingt altmodisch
- ist stark moralisch aufgeladen
- klingt nicht wie ein neutrales Verhalten, sondern wie eine charakterliche Verfehlung.
Konnotationen:
- Maßlosigkeit – übertriebener Genuss ohne Grenze
- Genusssucht – man lebt „fürs Essen“
- Trägheit / Bequemlichkeit – oft mit einem „satten, trägen“ Lebensstil verbunden
- Verfall / Dekadenz – wie bei antiken Festmählern oder Karikaturen von Prasserei
- Unbeherrschtheit – man kann sich nicht zügeln
- Ungeistigkeit – gegensätzlich zu geistlicher Mäßigung oder Fasten
„Völlerei“ klingt wie ein Mangel an Tugend
= Mangel vor allem an Mäßigung, Disziplin und Innerlichkeit (geistige Tiefe statt bloße Reiz-Reaktion)
Das hört sich jetzt erstmal alles ziemlich negativ an.
Aber:
In biblisch-christlicher Perspektive wird Verhalten nicht neutral, sondern an Gottes Maßstab gemessen.
Schauen wir uns mal an, was die die Bibel bzw. die christliche Tradition unter Völlerei versteht,
um dann klären zu können, was mehr Sinn macht – eine neutrale oder eine urteilende Sichtweise auf „mehr essen, als mein Körper braucht“
Völlerei: eine der sieben Todsünden bzw. Wurzelsünden
Begriff „Todsünden“:
- stammt nicht direkt aus der Bibel, sondern aus der kirchlichen Tradition, insbesondere aus der Theologie der katholischen Kirche
- Einteilung der „sieben Todsünden“ geht auf den Mönch Evagrius Ponticus (4. Jahrhundert) zurück
- wurde später von Papst Gregor dem Großen (6. Jh) übernommen & von Thomas von Aquin systematisiert (13. Jh)
Die klassischen sieben Todsünden:
- Hochmut (Superbia)
- Geiz (Avaritia)
- Wollust (Luxuria)
- Zorn (Ira)
- Völlerei (Gula)
- Neid (Invidia)
- Trägheit/Überdruss (Acedia)
(Das sind nicht alle Wurzelsünden, es gibt noch weitere. Das ist nur ein Modell.)
Warum „Todsünden“?
- diese Sünden gelten als Wurzelsünden, aus denen andere Sünden hervorgehen
- Begriff „Todsünde“ meint nicht, dass diese Sünden unvergänglich / nicht verzeihbar sind, sondern dass sie geistlich tödlich wirken können, weil sie den Menschen von Gott entfernen
Besseres, weil sanfteres Wort: Wurzelsünden
- an erster Stelle steht die „Ursünde“, die Trennung von Gott
- Folge: Mensch ist sich selbst überlassen, sucht Ersatz für Sicherheit, Trost, Sinn und Kontrolle
- Wurzelsünden = sind diese Ersatzwege:
- Völlerei: Ich suche Trost im Essen statt bei Gott.
- Neid: Ich glaube, Gott meint es mit anderen besser als mit mir.
- Wollust: Ich suche Erfüllung ohne göttliche Grenzen.
- Zorn: Ich will selbst richten, statt Gott zu vertrauen.
Wurzelsünden / Völlerei: Symptom(e)
Krankheit: Trennung von Gott
Wichtig:
Begriff „Sünde“:
Sünde ist nicht in erster Linie falsches Verhalten, sondern Beziehungsbruch – das Abwenden von Gott.
Mehr über Sünde kannst du auf meinem christlichen Blog Mehr Himmel nachlesen: Warum bist du sündhaft?
Was sind Wurzelsünden?
Wurzelsünden sind Herzenssünden
Herzenssünden, weil sie innere Haltungen sind, keine äußeren Taten.
Kontext:
Die Pharisäer kritisieren Jesu Jünger, weil sie sich vor dem Essen nicht rituell die Hände waschen – eine Vorschrift der jüdischen Überlieferung.
„Begreift ihr nicht, dass alles, was von außen in den Menschen hineingeht, ihn nicht verunreinigen kann?
Markus 7, 18-23
Denn es geht nicht in sein Herz hinein, sondern in den Bauch, und es geht heraus in den Abort.
Was aus dem Menschen herauskommt, das verunreinigt den Menschen.
Denn von innen aus dem Herzen der Menschen kommen die bösen Gedanken hervor: Unzucht, Dieberei, Mord, Ehebruch, Habsucht, Bosheit, Arglist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut, Torheit;
alle diese bösen Dinge kommen von innen heraus und verunreinigen den Menschen.“
Ausschweifung = Überbegriff von Völlerei
Völlerei ist eine konkrete Ausprägung von Ausschweifung
Wurzelsünden sind Ausdruck von innerer Unordnung
…bzw. von Selbstzentriertheit und Selbstgenügsamkeit.
Wurzelsünde:
- ich traue Gott nicht, dass Er genug ist und suche mir Ersatz
- ich lebe nicht mehr nach Gottes Maßstab, sondern nach meinen eigenen inneren Verlangen (nach meinem „Fleisch“ (Röm 8,5–8))
- Völlerei und die anderen Wurzelsünden sind Ausdruck von Selbstzentriertheit, von einer verschobenen inneren Ordnung
- trennt mich nicht nur von Gott, sondern auch von mir und anderen
Thomas von Aquin: Wurzelsünden sind Hauptlaster, die die Gottesbeziehung angreifen, weil sie die Tugend zerstören, die den Menschen mit Gott verbindet: Liebe (caritas)
Damit wird auch die Beziehung zu mir selbst und zu anderen gestört.
Welchen Ersatz sucht Völlerei?
Völlerei ist nicht nur „zu viel essen“, sondern geistliche Unordnung:
- Ziel: Selbsttröstung ohne Gott
- Ziel: sich mit Essen sättigen – nicht nur körperlich, sondern auch emotional und psychisch
Thomas von Aquin:
Jede Wurzelsünde ist ein Zuviel von etwas, das an sich gut ist, das aber außerhalb von Gottes Ordnung als Selbstzweck verwendet wird.
- Genuss ist gut, Gott hat uns unsere Sinne gegeben, wir sollen Essen genießen
- aber wenn wir uns nur auf der horizontalen Ebene bewegen und leugnen, dass es eine vertikale Ebene gibt = uns nicht auf Gott ausrichten, dann gerät alles in Unordnung
1. Gebot:
„Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ (2 Mose 20,3)
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand.“ (Matthäus 22,37; vgl. 5. Mose 6,5)
Wenn Gott nicht an erster Stelle steht, entsteht Maßlosigkeit.
Das ist das Schöne an der biblischen Sicht:
Es gibt keine Extreme, es wird nichts an sich verteufelt.
Wir dürfen und sollen genießen, aber in Maßen, sodass wir unsere geistige Natur nicht vernachlässigen oder verlieren.
Aspekte von Völlerei
- Trost, Genuss, Entspannung
- Ablenkung: Essen, um sich nicht mit innerer Leere oder Unruhe zu befassen
- Konsumhaltung: „Ich habe es mir verdient“ – Maßlosigkeit wird zur Normalität
- Fluchtverhalten: Vermeidung von Verantwortung, Schmerz, Entscheidungen
- Kontrollverlust: Essen als Bereich, wo keine Regeln gelten müssen – Gegenreaktion auf Druck
- Unordnung im Inneren: Der Körper will Ruhe, der Geist aber greift zum Essen
Jeder dieser Aspekte ist so tiefgehend und umfassend, dass ich mehrere Folgen dazu machen könnte – und später auch werde. 😉
Was du im Essen suchst – und nur bei Gott findest
Nur Gott schenkt dir:
- Friede
- Freude im Geist
- echtes Genährtsein
Man könnte auch sagen:
Völlerei ist eine verdrehte Antwort auf echte Sehnsucht, die nur Gott stillen kann.
„Auf, ihr Durstigen, alle, kommt zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt, kauft und esst!
Jesaja 55, 1-2
Ja, kommt, kauft ohne Geld und ohne Kaufpreis Wein und Milch!
Warum wiegt ihr Geld ab für das, was kein Brot ist, und euren Verdienst für das, was nicht sättigt?
Hört doch auf mich, und esst das Gute, und eure Seele labe sich am Fetten!“
Willst du Heißhunger, Essdrang und Fressattacken loswerden und die Kontrolle über dein Essverhalten zurückgewinnen?
