Heute ist Jutta Lamers zu Gast im Schlanke-Gedanken-Podcast.
Jutta ist Business- und Karriere-Coach und hilft Menschen dabei, ihre Karriere und ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen, Stärken und Werten zu gestalten.
Jutta und ich haben über den Zusammenhang von Perfektionismus, Stress und Essverhalten gesprochen.
Du erfährst, wie Perfektionismus entsteht, was du davon hast, perfektionistisch zu sein und wie Perfektionismus dazu beiträgt, dein Stresslevel oben zu halten und sich so negativ auf dein Essverhalten auswirkt.
Jutta zeigt Möglichkeiten auf, dich von ungesundem Perfektionsmus zu befreien und so den Stress auf der Arbeit und in deinem Alltag zu reduzieren.
Freu dich auf ein spannendes und erkenntnisreiches Gespräch mit Jutta Lamers!
Shownotes:
- Jutta Lamers: Business- und Karriere-Coaching
- Jutta auf Linkedin
- Foto: Anija Schlichenmaier
Transkript
Marion
Hallo Jutta, herzlich willkommen im Schlanke-Gedanken-Podcast. Schön, dass du da bist.
Jutta
Vielen Dank für die Einladung, Marion.
Marion
Vielleicht magst du als erstes mal sagen, wer du bist und was du so machst.
Jutta
Gerne. Ich bin Jutta, hallo, und ich arbeite als Coach, als Trainerin, aber auch als Workshop-Facilitatorin. Ich arbeite im Coaching mit Führungskräften zusammen, aber auch mit Menschen, die sich in ihrer Karriere weiterentwickeln möchten, neu orientieren möchten. Und das sind so eben die Themen oftmals auch im Einzelcoaching und in den Trainings sind es eher Teamentwicklung, Entwicklung oder auch Werte, Trainings oder Kommunikationsthemen.
Marion
Und wir wollten ja heute über Perfektionismus sprechen. Das ist jetzt vielleicht eine sehr allgemeine Frage, aber was würdest du sagen, was ist Ist denn überhaupt Perfektionismus?
Jutta
Perfektionismus oder perfektionistisches Verhalten steckt bei uns sehr tief in der Gesellschaft drin. Ich finde, dadurch, jeder, der in unserer Leistungsgesellschaft aufwächst, hat es in irgendeiner Form damit schon Begegnungen gehabt und kennt es auch. Und das fängt zum Beispiel früh an mit Benotungen in der Schule, mit dieser Bewertung. Also was heißt, was ist Perfektionismus? Genau, ich habe jetzt nicht so eine griffige Definition, sondern das ist eben der Versuch, immer alles perfekt zu machen, also mit einem extrem hohen Anspruch oder mit einer extrem hohen Erwartung, entweder an sich selber oder von der vermuteten Erwartung von anderen. Und ich könnte gleich schon ein bisschen was erzählen, wie sich das dann in Verhaltensweisen äußert, wenn du magst. Ja, mach mal. Ich sage mal, es gibt wie so drei typische Muster oder Verhaltensweisen, wenn man sich mit perfektionistisch verhält.
Es sind wie so drei Ms, sage ich immer, weil sie alle mit M anfangen. Das Erste ist ein „müssen, dass man das Gefühl hat, immer zu „müssen und dass im Wort „müssen auch viel die Sprache beeinflusst. Also so ein „müssen, „ich muss noch einkaufen gehen, ich muss mich noch die Präsentation kümmern und so weiter. Ich glaube, da färben jedem unter den Zuhörern auch Beispiele ein und durch dieses „müssen entsteht so eine Zwanghaftigkeit, dass man das Gefühl hat, es ist so ein Kontrolle, Projekt ohne Ende oder auch To-Do-Listen ohne Ende.
Das ist so das erste Muster eines mit perfektionistischem Verhaltens, das Müssen. Ich habe noch von zwei weiteren besprochen. Das zweite ist die Messlatte, auch wieder M. Deswegen ist es eigentlich so, dass man auf so einer eigenen Messlatte an die eigenen Ansprücher, die eigenen Erwartungen eigentlich nur zwei Marker hat und dass man die so hochsetzt, die zwei Marker lauten, nicht gut genug oder eben perfekt. Und dazwischen gibt es keine Abstupungen, weil die Skalierung fehlt oder die Grautöne. Und das ist so ein Aufruf, ich sage immer, so ein Aufruf zur Übererfüllung der eigentlichen Ziele. Und das kann natürlich auch zu enormem Druck führen oder zu so einer Zwanghaftigkeit und bedingt sich ja auch so ein Stück weit dieses „Ich muss noch alles das machen, dann das etwas vielleicht richtig gut zu machen. Und Das Dritte ist ein Meiden, also ein Vermeiden oftmals, und zwar von auch verschiedenen Facetten, entweder von Dingen anzufangen, weil ich habe das Gefühl, es ist so wichtig und ich will es so perfekt machen oder ich habe so einen hohen Anspruch an mich selber, dass ich gar nicht erst anfange, also so ein typisches Aufschieberitis oder Prokrastinieren. Und es kann aber auch auf der anderen Seite ein Meiden sein, von etwas gar nicht zu Ende zu machen.
Also dann ist man irgendwie vielleicht beschäftigt mit besagter Präsentation, die unbedingt fertig gemacht werden muss und die soll auch noch perfekt werden. Und dann ist es am Ende noch so ein „und das noch und das noch und das noch und das wirklich so einen Punkt zu machen und sagen: „Es ist jetzt fertig und es ist gut, wie es ist, kann auch eine Facette sein. Und der dritte Aspekt von diesem Meiden ist auch ein Meiden von Entscheidungen treffen und eben so was herauszuschieben möglicherweise und da einfach Schwierigkeit mit zu haben, weil es könnte ja vielleicht das eine gut sein, das andere gut sein. Und während ich spreche, möchte ich aber auch noch mal ganz bewusst sagen, es trifft nicht alles zu, sondern jemand mit perfektionistischem Verhalten hat eben verschiedene Facetten vielleicht. Und mal ist das eine, mal ist das andere ausgeprägt. Und ich wiederhole es vielleicht noch einmal: Es ist einmal das Mücken, das zweite ist eine Messlatte, die sehr hoch sitzt und das dritte ist das Meiden, und zwar das Meiden vom Anfang, das Meiden vom irgendwas zu Ende zu bringen oder auch Meiden von Entscheidungen.
Marion
Das ist ja ein Supersystem. Gefällt mir sehr gut mit den drei Ms. Woher kommt denn das jetzt? Warum überlegen sich Leute solche Sachen und haben solche hohen Ansprüche an sich?
Jutta
Zum einen kommt es aus der Kindheit. Wir werden durch durch das Aufziehen von den Eltern, von vielleicht auch Großeltern, Tante, Onkel, also Bezugspersonen, aber auch in Kindergärtner:innen, Lehrer:innen, kennen wir oftmals Aussagen, die wir verknüpfen, also Überzeugungen, Glaubenssätze, die wir mitgegeben bekommen. Und da sind ganz viele förderliche Sachen drinnen und die helfen uns, dass wir uns auch selber ansporen. Aber es gibt eben auch Aussagen, die bei uns im Kopf hängenbleiben, oftmals auch unterbewusst, die mit Leistung verknüpft sind. Ich mache mal so ein Beispiel und das ist, glaube ich, auch so, zumindest meine Eltern-Generation, noch mal stärker gewesen, dass es so typische „wenn dann-Sätze gibt, also dieses die auch inhaltlich gar nicht unbedingt was miteinander zu tun haben. Also so dieses „wenn du deine Hausaufgaben gemacht hast, dann darfst du das machen, „wenn du dein Zimmer aufgeräumt hast oder „wenn das, dann das. Und oftmals hängen diese Sachen nicht zusammen. Aber was passiert ist: Es wird mit einer Leistung etwas anderes verknüpft und in dem kindlichen Kopf entsteht dann so ein unklares Feedback, oder wie kein klarer Spiegel. Und es kann passieren – das ist eine Mischung aus kindlich, aber auch ein späterer Prozess. Ich muss vielleicht einen Disclaim sagen, ich bin keine Psychologin.
Ich kann es nicht vielleicht ganz formulieren, aber was einfach da für Mechanismen sind und ich möchte es auch nicht ganz pauschal sagen. Passiert aber, dass wir uns unterbewusst dann sagen: „Ein, nur wenn ich etwas perfekt mache, nur wenn ich das wirklich gut leiste, werde ich geliebt. Also daher ist eine von verschiedenen Möglichkeiten, wo es herkommt. Und so haben wir eben unbewusst übernehmen das auch, auch im erwachsenen Alter, auch durch Erfahrungen, Erlebnisse, positive wie negative, genau solche Glaubenssätze, also nicht nur aus dem Elternhaus, und ist teilweise auch bekannt als die Fünf Antreiber. Und da gibt es eben auch so einen Satz, der manchmal ist so dieses „Mach eben alles ganz perfekt, gib alles, was du kannst und so verschiedene solche Sätze. „nur wenn du dich richtig anstrengst, – da steckt wieder das „Müssen ja auch ein Stück weit drinnen, dann wird es richtig gut. Und das sind dann auch genau diese Überzeugungen, diese Stimmen im Ohr, die uns so unbewusst beeinflussen. Und oftmals ist dann eben auch wieder der mitgedachte Satz, so das Gift dahinter, weil „mitgedacht wird dann nicht nur ein „Sei perfekt und mach dräng dich richtig an, sondern auch „sonst wirst du nicht mehr geliebt.
Oder, da kommt dann immer so etwas Pauschales, „du gehörst nicht mehr dazu“. Jetzt klingt das, wenn ich das so ausspreche, natürlich ein bisschen vielleicht pathetisch oder übertrieben. Und das ist ja eben das, was so in uns passiert, was manche oder viele Menschen auch gar nicht in dieser Form dann so aussprechen würden. Aber ich erlebe es auch in Coachings, weil das natürlich auch bei einer Führungskraft, bei einer Entwicklung im beruflichen Kontext schon ein Thema ist, erlebe ich es aber, wenn ich es ausspreche, wenn ich verschiedene solche Sätze anbiete, dass dann da doch eine Resonanz entsteht. Also vielleicht ihr Zuhörer:innen merkt da auch irgendwie was und merkt vielleicht, der eine Satz oder der andere Satz wirkt da ganz anders.
Marion
Ich wollte jetzt auch gerade fragen: Was hat denn die Person eigentlich davon? Weil der Perfektionismus hat ja irgendeine Funktion. Es wirkt jetzt erst mal so: Na ja, Grautöne wären ja viel besser. Das setzt einen ja nur unnötig unter Stress. Das braucht man ja eigentlich gar nicht. Dieser Perfektionismus führt irgendwo hin. Man fängt nichts an, man bringt nichts zu Ende. Eigentlich ziemlich unnütz, aber natürlich machen Menschen Dinge nicht einfach so, sondern sie haben irgendwas davon. Also könnte das sein, dass sie das eigentlich unbewusst machen, weil sie Angst haben, dann nicht mehr geliebt zu werden?
Jutta
Ja, zum Beispiel. Dass es eine Angst ist, nicht geliebt zu werden, nicht dazu zu gehören, nicht gut genug zu sein. Das sind jetzt verschiedenste Ängste. Das ist auch sehr pauschal jetzt, was ich sage. Und geht eben oder kann deswegen auch auf die Kindheit zurückgehen. Das ist tatsächlich direkt deine Frage, aber ich finde, es passt ganz gut. Das wirklich befreiende ist neben dem ganzen Leistungsgedanken, der einfach sehr stark, was ich schon sagte, in der Gesellschaft auch verhaftet ist, sei es mit Leistung in Bezug aufs Arbeitsleben, aufs Aussehen, also auf verschiedenste Sachen, auf Status, Gedanken, also verschiedenste ist, sich zu erlauben, einfach zu sein. Also zu sein und das kann wahnsinnig befreiend sein, sich selbst so eine … Und dieses eng verknüpfte mit der eigenen Person eine Leistung und eine Anstrengung zu versuchen, zu lösen. Genau, sein zu dürfen und sich selber auch erlauben zu sein, kann unglaublich befreiend und entspannt sein. Und das sagt sich leicht und ich weiß, dass der Weg dahin schwer sein kann und schwierig sein kann, sich selbst sagen zu können, ich bin gut, so wie ich bin, zum Beispiel als einen Satz.
Marion
Ja, ich kenne das auch von den Leuten, die bei mir im Coaching sind, das oft durch diesen Leistungsdruck und dieses hohe Kontrollbedürfnis auch, weil wenn man alles versucht, perfekt zu machen, dann hat man natürlich alles unter Kontrolle, wenn man seine ewig langen To-Do-Listen und so weiter vor sich sieht und man versucht, das alles abzuarbeiten. Man ist nicht einfach so, man erlaubt sich nicht zu sein, sondern man versucht, das alles irgendwie unter Kontrolle zu halten. Dann baut das natürlich so einen großen Druck auf, der irgendwie irgendwo mit abgeleitet werden muss. Und das ist dann oft Essen. Es gibt natürlich auch viele andere schöne Möglichkeiten, aber oft ist es Essen. Und genau, was dann ganz wichtig ist, ist, diesen Druck oder diese Last loszuwerden, indem man einfach nicht mehr so sehr oft diesen Leistungsgedanken loslässt und diesen Perfektionismus gehen lässt und nicht mehr alles versucht zu kontrollieren und sich erlaubt zu sein. Das hast du sehr schön gesagt. Die Frage ist natürlich: Wie macht man das genau?
Jutta
Ich glaube, ein erster Schritt und es greift auch noch mal ein bisschen auf deine Frage zuvor ein. Es ist so was Es hat so zwei Seiten einer Medaille, auch Perfektionismus, wie eigentlich sehr viele Sachen. Im Leben gibt es wie so Sonnen-und Schattenseiten oder ein zu viel des Guten irgendwann, wenn ich … Du bist die Experte zum Thema Ernährung, aber trotzdem, wenn ich sage, ich möchte mich und ernähren und dann am Ende sage ich: „Ich esse aber von morgens bis abends nur noch Salat und Gemüse, dann ist es irgendwann auch zu viel des Guten. Und so ist es eben auch mit dem Perfektionismus. Es sind auf der einen Seite Sachen, es wird auch von funktionalen und dysfunktionalen Seiten gesprochen. Das Funktionale ist eben zum Beispiel ein hoher Qualitätsanspruch und eine Sorgfalt, anspruchsvolle Ziele zu verfolgen oder die auch in einer guten Arbeitsorganisation umzusetzen oder sich gut zu strukturieren. Ich habe, bevor ich Coach und Trainerin geworden bin, über zehn Jahre im Recruiting gearbeitet und habe da ganz oft gehört, dass Perfektionismus so ein attraktives Laster sei, weil die meisten Menschen eben auch ein überaus positives Bild damit verbinden. Aber eben dieses zu viel des Guten führt eben zu so einer Kattenseite, wie du schon sagst, zum Beispiel kann dieser Druck in Essen münden oder kann auch andere Nebenwirkungen haben.
Und diese Kehrseite, also dieses zu viel des Guten, diese Schattenseite, spüren manche Menschen oft erst, wenn eben schon so eine starke Erschöpfung da ist, wenn der Druck schon so enorm ist. Und das kann sich äußern in zum Beispiel Schlafstörungen, aber eben auch so eine körperliche Anspannung und das Gefühl zu haben, zu scheitern, eben aus diesen ewigen Listen nicht so rauszukommen und das Gefühl eben zu haben, ich habe gar nicht richtig gut gemacht und kann natürlich auch im Extremfall dann in andere Sachen führen, also wie eine Karrierebremse oder neben in dem vielen Stress auch in Richtung andere Formen von Burnout und Depression. Also ist wirklich weiter gedacht. Und das heißt, deine Frage war ja auch: Was kann man denn da tun und wie gelingt es, das auch so ein bisschen aufzubrechen? Ist sich genau das bewusst zu machen, zu sagen: Wofür ist es gut? Und ich sage ja auch bewusst immer nicht „mein Perfektionismus, sondern „mein perfektionistisches Verhalten. Es ist eben nur ein Teil von mir, ein Teil meines Verhaltens, und sich bewusst zu machen: Wann ist es denn gut und wofür ist es hinderlich, förderlich? Was habe ich dadurch erreicht? Und auf der anderen Seite aber auch zu sagen: „Wo hindert es mich vielleicht?
Wo hemmt es mich? Wo hemmt mich dieses perfektionistische Verhalten? Wo stehe ich mir damit selber im Weg? Oder auch in Bezug gerade auf so ein Vermeiden von irgendwas anzufangen, sich wirklich die Frage zu stellen: Wie wichtig ist das denn jetzt gerade eigentlich? Wie perfekt muss es denn sein oder wo ist gut genug? Also so eine Zwischenbühne auch für sich zu finden. Genau, das greifen noch so ein bisschen die vorherige Frage auf.
Marion
Ja, das ist, denke ich, super wichtig, weil in einigen Lebensbereichen ist Perfektionismus ja durchaus angebracht beziehungsweise perfektionistisches Verhalten. Wenn ich jetzt als Buchhalterin arbeite, dann wäre es schon nicht schlecht, perfektionistisch zu sein. Aber wenn es den Haushalt geht und ich habe den Anspruch an mich, da jede Fußbodenleiste abzustauben jeden Tag, das ist vielleicht doch eher hinderlich. Absolut. Was hat denn …?
Jutta
Ja, absolut. Ich wollte dir da zustimmen und mir fallen auch wirklich einige Berufsgruppen ein, wo es enorm wichtig ist, in dieser Situation dann perfekt zu sein, in hohen Qualitätsanspruch zu haben, sei es Piloten, Pilotinnen, Ärztinnen, Ärzte, wie du sagst, Buchhaltung. Es gibt so viele Bereiche und auch da ist es ja ein, diese Menschen, oder vermute ich zumindest, können ja auch nicht 24 20 Stunden am Tag perfektionistisch sein und auch nicht in allen Lebensbereichen. Und das finde ich auch immer wichtig, sich so bewusst zu machen. Ich kann nicht 100% perfekt im Arbeitsleben sein und 100% perfekt im privaten Bereich, also in Beziehungen, in der Beziehung oder in Freundschaften, in der Familie. Ich kann nicht 100% perfekt sein im Haushalt und in den Hobbys. Das sind dann einfach 400 oder 500%. Das geht einfach nicht. Und sich das bewusst zu sein und sagen: „Wo ist es angebracht und wo eben nicht? Wie du schon sagtest, zum Beispiel aus dem Haushalt.
Marion
Was würdest du jemandem raten, der jetzt so einen Beruf hat, klar auch als Arzt oder Ärztin? Das ist fatal, wenn man da nicht 100% das korrekt ausführt. Aber wenn Menschen dann anfangen, sich selber, also den Druck unnötig zu erhöhen – das kommt ja wahrscheinlich oft vor – „Okay, Sie wissen, Sie müssen alles perfekt machen. Das sind dann ja in Ihrem Beruf oft auch Menschen, die eher detailorientiert sind, die eigentlich von ihrer Persönlichkeit her kein Problem damit haben, sehr stark auf die Details zu achten und so weiter, aber wenn die dann anfangen, den Druck da so zu erhöhen, dass sie die ganze Zeit Angst haben, zu scheitern und das eben nicht richtig zu machen oder nicht hundertprozentig.
Jutta
Ich glaube, es gibt nicht so die eine Empfehlung, sondern es gibt verschiedene Wege. So wie auch die Muster so vielfältig sind, gibt es auch verschiedene Wege. Und das Erste sich das bewusst zu machen und bewusst machen – und ich nenne auch mal so was, können so typische, ich nenne es wie so Denkfallen sein und damit auch Überzeugungen, die wir uns erzählen. Das ist so das Erste, sich das bewusst zu machen. Zwar eine Denkfalle kann sein, Entscheidungen müssen, was da absolut wasserdicht sein oder auch so richtig gut kann nur ich das und eben niemand anders, also im Sinne von nicht, Hilfe zu fragen oder nichts abzugeben. Oder das ist doch ganz normal, so einen hohen Qualitätsanspruch zu haben oder Fehler dürfen „Das darf nicht passieren oder „Perfektionismus ist gut, der hat mich schließlich auch dahin gebracht, wo ich heute bin. In den Sätzen steckt natürlich auch was drin. Trotzdem hat so was Absolutes wieder, so was Zwanghaftes, so was Starres und so was Unveränderliches und Endgültiges. Das ist so der erste Schritt. Das geht in die Richtung mit den Fragen, was ich gerade schon sage, damit sie sich bewusst machen, wofür ist es gut und für nicht.
Ein zweiter Schritt ist aber auch, zu sagen, für sich selbst ganz individuell zu schauen: Was tut mir gut? Was brauche ich, mir was Gutes zu tun? Und das können kleine wie große Sachen sein. Ich sage mal, als Beispiel, das ist so was wie so eine – ich nenne es gerne auch Pausenliste oder Ressourcenliste – für sich selbst anzufertigen und erst mal in einem ruhigen Moment wirklich zu überlegen: Was tut mir gut? Von irgendwie in kleinen Momenten eine Minute vor die Tür zu treten und einfach nur durchzuatmen, bis hin zu vielleicht irgendein Lieblingsgetränk ganz in Ruhe zu wirklich zu trinken und mit allen Sinnen wahrzunehmen oder mit einer Freundin, Freund zehn Minuten zu telefonieren und so weiter. Also sich bewusst machen: Was tut mir gut? Alleine oder mit anderen Personen. Mir geht es gar nicht Konsum, sondern eben eher ein „Was tut mir gut? Und darüber das auch so zu durchbrechen, auch genau so einen hektischen, möglicherweise Arbeitsalltag-Tag, endlose Abarbeiten von Listen, die einen, glaube ich, auch nicht retten werden, so eine To-Do-Liste, aber auch zu durchbrechen und immer wieder durch diese Pause Kraft zu schöpfen. Das kann auch ein Weg sein. Und eine dritte Sache möchte ich noch anbieten neben den vielen anderen Sachen, die natürlich möglich sind.
Das erste Mal sich bewusst machen, beobachten. Das zweite, was ich sagte, bewusste Pausen machen, bewusst auf die eigenen Ressourcen und Bedürfnisse achten. Und das dritte ist, ich sage mal, einen klugen Umgang finden mit den eigenen Erwartungen und bewusst überlegen und es spielt so ein bisschen auf diese Messlatte an, zu sagen: „Was wird denn hier eigentlich gerade von mir erwartet?“ Ich habe von der Präsentation im Arbeitskontext gesprochen, zu sagen: „Ist die so wichtig, weil sie vor dem Vorstand ist oder in welcher Form auch immer wichtig?“ Dann ist es okay zu sagen, die muss wirklich perfekt werden. Aber ist es vor dem Team, vor den Kollegen darum und sowieso ein monatliches Update zu sagen: „Ich sage, was ich mache, dann ist es vielleicht auch okay, dass die 80% gut ist oder dass da Rechtschreibfehler sind.“ Also so was meine ich mit Erwartung. Oder auch manchmal kann es auch sehr befreiend sein, dem gegenüber zu fragen: „Sagen, was ist deine Erwartungen, wenn ich diese Präsentation mache? Also es hat ganz viel damit zu tun: „Was erwarte ich? Was habe ich da auch wieder ein Stück weit für Bedürfnisse?“ Aber auch ein „Wozu mache ich das gerade?“ Also dieses Bewusste, sich zu entscheiden: „Was mache ich gerade? Wozu? Wie viel Kraft und Zeit widme ich dem Ganzen?“ Und auch das zahlt am Ende darauf ein, kann ich für mich sagen, wieder ein „Ich bin gut, so wie ich bin, auch wenn ich die Präsentation da vor meinem Kollegenpreis vielleicht mit 70% abliefere oder halte.“ Genau, das sind so die Sachen, die mir erst mal … Mir würden noch ein paar Sachen einfallen, aber ich mache hier an der Stelle trotzdem mal eine Pause.
Marion
Ja, das mit den Erwartungen anderer, das ist, glaube ich, auch ein ganz wichtiger Punkt, dass man das wirklich mal aktiv erfragt, was was wirklich von einem erwartet wird, weil oft nimmt man das so schon vorweg oder nimmt an, was andere Menschen von einem erwarten, obwohl das gar nicht der Realität entspricht und die Erwartungen eigentlich viel niedriger sind. Und in so einem voraus eilenden Gehorsam versucht man dann, Erwartungen zu erfüllen, die eigentlich gar nicht existieren. Deswegen ist es super wichtig, da mal nachzufragen, weil dann hat man auch was, woran man seine Leistung messen kann. Sonst ist es immer so im leeren Raum und man versucht immer noch, mehr zu machen, weil es ja nie genug ist theoretisch.
Jutta
Genau. Und gerade im Arbeitskontext, da erlebe ich es noch mal häufiger, aber selbst auch im privaten Umfeld. Auch hier, sei es jetzt eine Familienfeier und da zu überlegen, was wird denn eigentlich erwartet? Oder auch mit Freunden eine Feier zu sagen: Was ist denn erwartet und was ist gut genug? Was ist der eigene Anspruch? Da geht es natürlich weniger darum, die Freunde oder die Familie zu fragen, was alles erwartet ist, aber auch da trotzdem zu sagen: Jetzt wird der Kuchen vielleicht gekauft statt selber gebacken, wenn einfach die Zeit nicht da ist oder wenn es einfach ein so großer Punkt auf der To-Do-Liste ist. Also Gottes Willen, wenn das bei jemanden auf der Pausenliste steht und sagt: „Ich liebe backen, ich mache das unglaublich gerne“, dann will ich das natürlich niemandem, wie gesagt, mal wegnehmen. Aber ich glaube, als Beispiel – ihr wisst, was ich meine –, was es sein kann und sich da auch bewusst zu machen, eben dieses „Dazu müssen, was darf ich denn? Oder eben „raus aus dem „Ich muss, ich muss, ich muss da das perfekt vorbereiten und noch die Blumen kaufen für das Familienfest und den Kuchen backen und, keine Ahnung, möglichst viele Spiele für die Kinder, die alle da sind, anbieten.
Ja, dann wirklich sich zu fragen, zu sagen: „Okay, was muss ich davon wirklich und was darf ich oder was kann ich? Und dann kann auch so ein befreiendes Gefühl anfangen von „Okay, ich darf auch einfach den Kuchen kaufen“ oder „Ich darf auch jemanden aus der Familie fragen und sagen: Wer kann denn vielleicht was mitbringen?“ Ich bringe jetzt gerade bewusst so ein bisschen zwischen privaten und beruflichen Beispielen, damit es möglichst viele Andock-Möglichkeiten gibt. Und mir fällt noch ein ganz anderer Aspekt ein, den ich aber auch ganz wichtig finde und auch wieder hier: Es ist ein weiterer Aspekt. Es kann sein, was auch hilfreich ist, zu schauen: Wo gibt es Hobbys, die ich einfach machen kann ohne Leistungsanspruch? Also ich wohne im Münchner Süden, im Münchner Umland, und Und hier fahren viele Freunde gerne in die Berge am Wochenende. Und das ist aber auch oft mit Leistung verbunden. Und es ist ja auch schön, wandern zu gehen, aber trotzdem dieses „Ich muss“ und „Ich muss das noch schaffen“ und „Habe ich das geschafft?“ Aber es ist trotzdem ein: Welchem Hobby kannst du auch nachgehen, als Zuhörerin, als Zuhörer, zu sagen, ohne Anspruch und ohne wieder eine neue Erwartung, genau Bereiche zu schaffen, wo man einfach sein kann?
Marion
Ja, das ist auch ein guter Punkt. Ich habe jetzt gerade über meine eigenen Hobbys nachgedacht. Ja, aber oft vieles, was gerade mit Sport zu tun hat, dann fängt man immer an, da irgendwie sich steigern zu wollen, besser werden zu wollen. Und dann hat man letzten Endes … Oder wie viele Seiten liest man am Abend dann noch bei diesem und jenem Buch? Ja, das kann wirklich alle Bereiche durchdringen, also da mal ein bisschen aufzuräumen damit und mehr einfach Dinge reinzubringen, wo man einfach nur ein bisschen herumbummelt und irgendwie was ganz Sinnloses in Anführungszeichen macht. Das ist sicher eine super Idee.
Jutta
Ja, vor allem ohne so einen Produktivitäts-oder Effektivitätsgedanken, sondern eben mit einem „Ich darf jetzt das Ganze entspannt machen.“
Marion
Magst du zum Schluss noch was sagen über den Zusammenhang von Perfektionismus und People Pleasing? Da hatten wir ja auch vorher drüber gesprochen. Das finde ich, ist auch ein total interessantes Thema, was, glaube ich, viele Menschen betrifft.
Jutta
Ich glaube, indirekt habe ich schon ein bisschen was dazu gesagt. Und zwar, ich glaube, durch dieses … Oder ich komme noch mal über die Antreiber drauf. Es gibt fünf Antreiber und einer davon ist eben: Sei perfekt und der andere ist: Mach es allen recht. Und es gibt auch noch andere: Sei stark, beeil dich. Der Letzte fällt mir oft nicht ein: Stränge dich an. Und gerade so eine Kombination, und da hängt das auch ganz eng zusammen zwischen diesen den Antreibern: Sei perfekt und mach es allen recht. Das hängt oft so zusammen, und zwar mit ein: Indem ich es anderen recht mache, versuche Erwartungen zu erfüllen, versuche ich auch wieder, perfekt zu sein. Oder andersherum: Indem ich versuche, perfekt zu sein, versuche ich es ja auch anderen recht zu machen. Also im Sinne von: Ich backe den Kuchen für die Familienfeier und die Family würde eigentlich sagen: „Wir würden eigentlich eh lieber was Salziges essen“, oder so. Das ist immer alles so ein bisschen pauschal und bewusst auch übertrieben gesagt. Und so geht es ja auch. Man kann es auch im Beruflichen sein, dass eigentlich ein Kollege, eine Kollegin sagt: „Nein, ich wollte sowieso immer gerne die Präsentation machen. Mir fällt das total leicht.“ Also sind ja manchmal auch solche Sachen.
Also wo hängt das zusammen? Ich glaube, dass viel unbewusst ist und es hängt zusammen mit den eigenen Bedürfnissen. Also der Weg fängt immer aus meiner Sicht bei einem selber an, bei sich selber zu schauen, zu sagen: „Was brauche ich? Was sind meine Bedürfnisse? Was ist mir wichtig?“ Oder auch: „Was tut mir gut?“, sich bewusst zu machen: „Mache ich das gerade, weil ich es wirklich gerne mache? Oder mache ich es, weil vielleicht jemandem gefallen möchte? Mache ich es, weil ich es von mir warte?“ Oder vielleicht sogar eben, wo wir drüber gesprochen haben, weil ich glaube, es wird von mir erwartet. Und da steckt so ein bisschen das Spannungsfeld drin. Jetzt auch wieder hier, ich merke, es sind so ein bisschen die verschiedenen Facetten und es lässt sich jetzt gerade nur so ein bisschen pauschaler äußern, aber da steckt eben auch einiges drin Und ein Weg daraus kann sein – das möchte ich vielleicht auch gleich noch aufzeigen –, ist, sich etwas zu erlauben, also durch zum Beispiel, sich einen Satz zu überlegen, einen Spruch. Oder vielleicht ist es für manche Menschen, kann es auch ein Bild sein oder ein Lied, zu sagen: „Statt immer perfekt zu sein, erlaube ich mir oder statt immer den anderen es erst zu Recht machen zu wollen, erlaube ich mir oder ich mache es erst mir recht.“
Und die Sätze können so ein bisschen im ersten Moment wie eine Plattitude wirken, aber für sich selber wirklich zu schauen, mit welchem Satz geht man selbst in Resonanz, kann unglaublich befreiend dann auch wiederum sein. Und ich glaube nicht an so Sätze, die ihr, liebe Zuhörerinnen, vielleicht schon mal gehört habe, wie alle Fünfe gerade sein lassen oder so was, weil das ist ein bisschen an der Oberfläche einfach. Und es kratzt das Thema Perfektionismus an, aber geht eben nicht in die Tiefe. Und darüber haben wir ja schon hinreichend gesprochen, dass es oft sehr tief sitzt, eben, egal ob es ein perfektionistisches Verhalten ist oder eben auch das sogenannte People Pleasing, also das Thema, sich an den Erwartungen, Bedürfnissen, Wünschen von anderen zu orientieren, anstatt den eigenen, eben den Selbstwert zu erfüllen.
Marion
Ja, alle Fünfe gerade sein lassen, furchtbar. Meine Mutter sagt dann immer so was wie „Entspann dich doch mal, mach doch mal was Schönes, spiel doch mal was.“ So erinnere ich mich, vor zehn Jahren hat sie mir solche Dinge gesagt und ich konnte damit gar nichts anfangen. Ich glaube auch, wenn man sich wirklich mal damit beschäftigt, was man da eigentlich denkt, was eigentlich so in dem Kopf vorgeht, bevor man da diesen ganzen Druck aufbaut, also was überhaupt zu dem Druck führt, zu dem Perfektionismus und zu dem People Pleasing, und dann wirklich es sich selber recht macht. Diesen Satz fand ich sehr schön. Ich mache es mir zuerst recht, irgendwas überlegt, was dazu in Konkurrenz treten könnte und was eigentlich viel mehr Sinn für einen ergibt. Das hilft, glaube ich, schon sehr, sehr viel.
Jutta, das war wirklich sehr, sehr interessant. Vielen Dank für deine Ausführungen. Magst du zum Schluss noch erzählen, wo die Zuhörer und Zuhörerinnen dich finden, was du anbietest, wie man mit dir zusammenarbeiten kann und so weiter?
Jutta
Ich könnte noch einen abschließenden Gedanken sagen. Also danke, mache ich sehr gerne. Natürlich. Einen abschließenden Gedanken wollte ich noch sagen. Das klingt jetzt alles so leicht und vielleicht auch so viel und so kann auch überwältigend sein, weil ich auch wirklich bewusst verschiedene Sachen erzählt habe und es gilt, eine Sache vielleicht erst mal anzufangen. Und etwas zu verändern, gerade wenn es so tief liegende Muster sind, braucht es oft Mut und auch ganz viel Vertrauen. Also sich selber zu vertrauen, dass es gut wird, sich selber auch zu trauen, etwas anderes zu machen. Das wollte ich unbedingt noch sagen, also in diesem Sinne: „Seid mutig und nicht perfekt. Und wie kann man mit mir zusammenarbeiten? Ich biete eben Eins-zu-Eins-Coachings an zum Thema zum Beispiel: „Wie geht es für mich beruflich weiter?“, arbeite aber mit Führungskräften, insgesamt an beruflichen Themen, also Themen wie: „Wie möchte ich führen? Wie möchte ich anders kommunizieren?“ Vielleicht „Wie kann ich verbunden und klar kommunizieren?“ Genau, und ansonsten ich aber auch Team-Workshops an und man findet so einiges, nicht alle Informationen dazu, auf meiner Website.
Marion
Zu dem Mut fällt mir noch ein Zitat meiner Tochter ein, die ist fünf, und sie sagt dann immer: „Um mutig zu sein, darf ich auch Angst haben.“ Denn nur, weil man mutig ist, heißt es ja nicht, dass man keine Angst hat, sondern man hat die Angst und sie darf da sein und dann kann man trotzdem das machen, was man eigentlich machen möchte.
Jutta
Das ist ein sehr schöner Satz. Und es geht eben nicht darum, etwas in Panik zu machen, sondern mit so einer gewissen Portion Schiss zu sagen: „Okay, ich habe es noch nie gemacht.“ Und du denkst: „Ich habe da jetzt echt Bammel davor, was passiert, aber ich mache es trotzdem.“ Da hast du Mut. Und den braucht es, da ein bisschen rauszukommen aus dem eigenen Perfektionismusmuster, People-Pleasing-Muster oder, oder, oder.
Marion
Vielen Dank, liebe Jutta.
Jutta
Sehr gerne. Danke für deine Einladung, Marion.
Willst du Heißhunger, Essdrang und Fressattacken loswerden und die Kontrolle über dein Essverhalten zurückgewinnen?